46/194. An Carl Ludwig von Knebel Es ist zwar nicht recht und billig, mein theuerster Freund, daß man nach einem so lange, mit und neben einander geführten bedeutenden Lebenswandel zuletzt so ganz ohne Wechselwort und Wirkung verbleibe. Da ich aber von dir vernehme und weiß, daß du auf deinem Gange redlich vorschreitest, dich zu unterhalten und zu belehren treulich fortfährst, du auch von mir manches mehr oder weniger Eingreifende von Zeit zu Zeit vernimmst; wie ich mich denn, indem ich dieses oder jenes ausfertige, auch deiner stillen Theilnahme getrösten darf: so wollen wir in unsern bisherigen Zuständen freundlich verweilen, bis uns eine günstigere Jahrszeit wohl wieder, wenn auch nur auf Augenblicke, zusammenbringt. An dem vergangenen Winter ist wenigstens die Gleichförmigkeit zu loben. Bey einer wohlerwärmten Stube gibt uns eine weiße Außenwelt ein früheres und längeres Licht, also daß die nächsten Wochen leichter zu überstehen seyn werden. Möge dir und den lieben Deinigen das mögliche Gute zukommen, wenn auch unsern Wünschen und Hoffnungen immer noch etwas zurück bleiben dürfte. und so fort an! Der Deine Weimar den 6. Januar 1830. J. W. v. Goethe.