32/37. An August Claus von Preen Hochwohlgeborner, hochgeehrtester Herr! Lassen mich Ew. Hochwohlgeboren vor allen Dingen einem jeden Glück wünschen der an dem nunmehr vollbrachten höchst bedeutenden Werke Theil nahm, und meine Freude ausdrücken, daß besonders Ihre treue und folgrechte Bemühungen so schön belohnt worden. Empfehlen Sie mich bey Überreichung inliegenden Schreibens unsern Herrn Committenten zum allerbesten und den sämmtlichen Bewohnern von Rostock zum freundlichen Andenken. Die Langsamkeit, womit auswärtige Nachrichten in Böhmen sich verbreiten, kam mir dießmal gar wohl zu statten, der falsche Todesruf war nicht zu mir gelangt, als Ew. Hochwohlgeboren eilige Vorsorge mich mit der Genesung des trefflichen Mannes bekannt machte. Allerdings groß ist der Aufwand von geistigen und körperlichen Kräften in einem solchen Falle. Dergleichen Unternehmungen sind neu bey uns, und die Hülfsmittel die in anderen Ländern bereit sind müssen wir erst erfinden und erschaffen. Von Berlin erwarte mit Ungeduld weitere Nachricht von der Besserung unseres Freundes. Daß noch vor dem Ableben des Helden das Standbild aufgerichtet und enthüllt worden, finde ich bedeutend und angenehm. Der Deutsche ist eigentlich nicht gewohnt, bey Lebzeiten Ehre zu geben und zu empfangen, es ist eine gewisse löbliche Scheu in ihm, die er nicht leicht überwindet, weshalb wir ihn auch nicht tadelnswerth finden wollen. Und so will ich denn auch nicht läugnen, daß die höchst ehrenvolle Theilnahme welche die lieben Landsleute meinem Geburtstage gewidmet, mich erst einigermaßen in Verlegenheit gesetzt, so daß ich mich in die Einsamkeit flüchtete und auch dort kaum den werthesten Zeugnissen von Wohlwollen entging; doch blieb in der Carlsbader wahrhaften Einsamkeit mir Sammlung und Ruhe genug, um nach und nach zu vernehmen wie liebreich man mich bedacht, und mir dasjenige gemüthlich zuzueignen was mir so herzlich gegönnt war. Nehmen auch Sie den schönsten Dank für die Einleitung die Sie getroffen, daß auch mir von dorther so viel Gutes und Köstliches zugenommen. Da ich von Anfang unseres Verhältnisses, von der ersten Entstehung des Geschäftes an alle Blätter wie es sich gebührt geheftet und zusammen gehalten, so darf ich wohl sagen, daß unter meinen geführten Acten kaum ein Fascikel befindlich seyn möchte, in das ich mit so viel Zufriedenheit zurücksähe. Die Unternehmung, der Gang des Geschäftes, die Vollendung erscheint in den Art wie man wohl einen Plan entwirft, selten aber möchte es gelingen, die Ausführung zu sehen. Mit den aufrichtigsten Wünschen treu verbunden gehorsamst Weimar [Jena] d. 7. Octbr. 1819. J. W. v. Goethe. Ew. Hochwohlgeboren erlauben noch eine kurze Nachschrift; denn indem ich beyliegende Blätter übersehe, möchte ich sie fast umschreiben, weil sie von der Zerstreuung zeugen, in der sie verfaßte, und nicht, wie ich wohl wünschte und sollte, Liebe, Neigung und Dankbarkeit genugsam ausdrückt habe. Überhaupt wünschte ich im gegenwärtigen Fall nur auf wenige Tage die Fülle der Jugend zurück, damit ich meinem Vaterlande recht warm und kräftig aussprechen könnte, wie sehr ich ihm für die Theilnahme an meinem gefristeten Daseyn verbunden und auf's neue verpflichtet bin. Ich muß also jungen Gemüthern überlassen, sich selbst zu belohnen für das Gute das sie mir erwiesen, und Ew. Hochwohlgeboren besonders bitten, bey sich und den Herrn Ständen mein Dolmetscher zu seyn. Auch bleibt mir noch, den Schmerz ausdrückenden ich empfinde, Ew. Hochwohlgeboren persönliche Gegenwart entbehrt zu haben durch Schuld meines spätern Aufenthalts in Carlsbad; denn alle echte menschliche Verhältnisse zu gründen und zu vollenden, ist das volle Reale der Individualität das Sicherste und Erfreulichste. Möge es mir noch auch so wohl werden, Ihnen auf irgend einem Weg glücklich zu begegnen. Beyliegenden Blättern eine freundliche Ausführung dieses Textes! vielfach verpflichtet J. W. v. Goethe Weimar [Jena] den 9. October 1819.