44/96. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck Wie dankbar ich für die mir gegönnte reiche Sendung sey weiß ich nicht besser auszudrücken als daß ich die gewünschte Pflanze sogleich einpacken lasse und fortschicke. Der gegenwärtig in der Erde wurzelnde Theil schwebte vorigen Sommer als Lufterzeugniß an dem Mutterstocke, entwickelte einen Bündel starker Luftwurzeln, brachte den Blüthenfaden und am Ende desselben eine neue Pflanze hervor, die, wie Sie sehen, durch an einander gedrängte Wärzchen schon wieder auf jene Luftwurzeln hindeutet. Über ihre Behandlung wüßte ich Folgendes zu sagen: Sie verträgt außer Kälte alles Übrige, nur ist ihr Wachsthum, ihre Entwicklung nach äußern Bedingungen verschieden. Kommt die gegenwärtige glücklich an, d.h. ist der Faden in dem Zusammenhang mit der neuen Pflanze nicht verletzt und unterbrochen, so wäre eben dieser Faden an einem Stabe in die Höhe zu binden, die Erde mäßig zu befeuchten, der Topf aber an einen schattigen und feuchten Ort zu stellen, da sich denn die Luftwurzeln entwickeln, die Blüthe erfolgen und das Weitere sich ganz einfach ergeben wird. Zu stark befeuchteter Boden bringt wohl die Pflanze zu kräftigem Treiben, scheint aber das Blüthen zu verhindern; Sonnenschein und trockne Atmosphäre scheinen der Entwickelung der Luftwurzeln entgegen zu seyn. Sollte die neue Pflanze mit der alten nicht mehr gesund zusammenhängen, so bliebe nicht übrig als jene auch abgesondert in die Erde zu setzen, da denn eine merkwürdige Umwandlung der strohhalmstarken Luftwurzeln erfolgen wird: sie verzweigen sich in der Erde in die allerzartesten verästelten Fasern, und die Pflanze wächs't ohne weitere Sorgfalt ruhig fort. Übrigens möchte ich sagen, bey der gränzenlosen Production, welche diesen Pflanzen eigen ist, geht doch eben diese Vervielfältigung ihrer selbst einen zwar stetigen, aber langsamen Gang. Mehreres wird der wissenschaftliche scharfsichtige Botaniker leicht bemerken, auch ihre Verwandtschaft mit andern Geschlechtern und Arten sicher aufzufinden wissen. treu theilnehmend Weimar d. 31. May 1828. J. W. v. Goethe.