49/168. An Marianne von Willemer Meinem neuesten Briefe sende sogleich einen Andern nach, einiges Versäumniß zu entschuldigen. Und also vor allen Dingen Dank für den Cauponarius! Alle Freunde eines wohlgeordneten und durchdachten Styls haben große Freude an diesem Musterbilde. Nicht leicht hat jemand das Vielfältige was er verpflicht so deutlich eingesehen und so eindringlich anzupreisen gewußt, und so absurd auch der Vortrag ist, so muß er doch anziehend seyn für diejenigen die nach dergleichen lüstern sind. Hieran will ich aber ein ernstes Bekenntniß anschließen. Indem ich die mir gegönnte Zeit ernstlich anwende, die gränzenlosen Papiere, die sich um mich versammelt haben, um sie zu sichten und darüber zu bestimmen, so leuchten mir besonders gewisse Blätter entgegen, die auf die schönsten Tage meines Lebens hindeuten; dergleichen sind manche von jeher abgesondert, nunmehr aber eingepackt und versiegelt. Ein solcher Paquet liegt nun mit Ihrer Adresse vor mir und ich möcht es Ihnen gleich jetzt, allen Zufälligkeiten vorzubeugen, zusenden; nur würde mir das einzige Versprechen ausbitten, daß Sie es uneröffnet bey sich, bis zu unbestimmter Stunde, liegen lassen. Dergleichen Blätter geben uns das frohe Gefühl daß wir gelebt haben; dieß sind die schönsten Documente auf denen man ruhen darf. Zu dem kleinen Römerberg wünsche Glück. Auch die Erfahrung ist wichtig: daß, wenn wir uns in eine gewisse Freyheit zu setzen gedenken, sich gleich wieder ein neues Hinderniß hervorthun; ich könnte schmerzlich-lächerliche Beyspiele hievon erzählen. Da Sie es übrigens halten wie ich: den Tag zu sichern und zu schmücken wie möglich und dem Dulden sogleich eine Thätigkeit entgegenzusetzen, so bleiben Sie auch wie ich unwandelbar in freundlicher Neigung. Schreiben Sie öfter. Eine Correspondenz die dauern soll muß nicht Zug für Zug gehen; man schickliche doch ja ein Blatt nach, um irgend ein Stockendes flott zu machen. und so fort an! Weimar den 10. Februar 1832. J. W. v. Goethe.