42/76. An Carl Georg Hase Geneigtest zu gedenken. Da, wie äußerlich zu vernehmen gewesen, Ew. Wohlgeboren in dem Nachlasse der seligen Frau Oberstallmeisterin von Stein und dessen Inventarisation beschäftigt sind, so nehme mir die Freyheit auf einen Gegenstand aufmerksam zu machen, welcher sich wahrscheinlich darunter finden wird und auf welchen ich Ansprüche mit Grund zu machen glaube. Es ist nämlich ein Portefeuille in großem Format, wenn ich mich recht erinnere mit braunem Papier überzogen, leichte unvollendete Skizzen enthaltend, dergleichen ich in früherer Zeit nach der Natur zu machen pflegte; diese habe ich meiner seligen Freundin wie sie nach und nach entstanden in Verwahrung gegeben, und wir erinnerten uns dabey manches ländlichen Aufenhaltes und sonstiger auswärtiger Localitäten. Gedachte Blätter, welche eigentlich keinen künstlerischen Werth haben, auf die man nur ein pretium affectionis legen kann, sind immer als gemeinsam angesehen worden, in dem Sinne daß solche dem Überlebenden verbleiben würden. Sollte noch außer dieser meiner einfachen Darstellung ein Argument nöthig seyn, so füge hinzu: daß die edle Freundin, als sie in meiner Abwesenheit dem Fürsten Reuß zu Köstritz, auf dessen dringendes Verlangen, einige dieser Skizzen überlassen, mich schriftlich davon benachrichtigte, sogleich diese Entfremdung freundlichst entschuldigte und meine förmliche Einwilligung dazu ausdrücklich verlangte. In diesen Rücksichten mache Ew. Wohlgeboren um so unbewundener aufmerksam als Sie mir schon in mehreren Fällen geneigten Beystand erfahren lassen und füge die Bitte hinzu: sich nach diesem Gegenstand gelegentlich umzusehen und, wie er sich vorfindet, meinen Wunsch, daß derselbe zu meinen Händen gelangen möge, Ihren Herren Principalen, die ich unmittelbar damit nicht behelligen wollen, vorzutragen und zu bewirken, daß ich dessen theilhaft werden möge. Der ich die Ehre habe in Hochachtung und Vertrauen mich zu unterzeichnen Ew. Wohlgeb. ergebensten Diener Weimar den 12. März 1827. J. W. v. Goethe.