19/5224 a . An den Herzog Carl August Öfters bin ich in Versuchung gekommen in Teplitz aufzuwarten; doch da es in manchem Sinne das räthlichste zu seyn scheint gerade nach Weimar zu gehen, so wird unsre Abreise in diesen Tagen erfolgen. Mein Befinden war bisher ganz leidlich: denn obgleich die Symptome meiner Übel nicht ausgeblieben sind, so habe ich doch keine schmerzlichen Anfälle erlitten, weshalb ich denn ganz wohl zufrieden zu seyn Ursache habe. Seit meinem Letzten wurden mehrere interessante Bekanntschaften gemacht, andere mehr cultivirt. Wenn ich sie im Ganzen durchgehe, so bleibt doch immer Voght von Hamburg wohl die vorzüglichste. Hinter einer etwas rauhen bürgerlichen Schale, die man am reichen Reichsstädter wohl verträgt, zeigt sich große Kenntniß der weltlichen Dinge, der beste Wille fürs Gute Rechte und Wohlthätige und eine unermüdete Thätigkeit. Dabey ist seine Geisteskultur wirklich fein und auch in literarischen Dingen hat er schöne Kenntnisse. Man kann leicht mit ihm über alles reden, weil sich leicht bey ihm an alles anspielen läßt. Der Landgraf von Hessen hat mich mit einigen Aussichten nach dem Orient bekannt gemacht, nicht weniger auch mir eröffnet, wohinaus die gegenwärtigen Überschwemmungen und Umwälzungen der Weltzustände endlich laufen würden. Von diesen Mysterien werde ich mündlich etwas mittheilen können. Indem wir uns nun von einer Seite so ernsthaft unterhielten machten die schönen Frauen Solms und Nariskin im Ganzen und besonders auch auf die Mystagogen eine solche Wirkung, die man fast comisch nennen dürfte. Die Fürstinn Solms ist abgereis't und was sonst unsre Contemporanen sind, verlieren sich auch nach und nach. Polen und Juden haben jetzt durchaus das Übergewicht, und da sich in der Hälfte der Badezeit eines Jeden die Luft erschöpft, neue Bekanntschaften zu machen; so finde ich mich in diesen letzten Tagen am Sprudel und Neubrunn ganz in einem fremden Lande. Eine überraschend angenehme Erscheinung war ein Portefeuille von Kupferstichen das Graf Lepel mit sich führt und worin er die Acquisitionen aufbewahrt, die er unterwegs macht. Die sieben Sacramente von Poussin waren mir fast ganz neu, und eine gute Parthie Rembrandts habe ich auch mit viel Vergnügen wiedergesehen. Indessen hat denn doch die Mineralogie innerhalb dieser Felsen auch ihre Rechte behauptet, und es ist auf allen Bergen genugsam gepocht worden. Das Übergangsgestein, das unmittelbar auf den Granit folgt, und aus welchem der Sprudel eigentlich seine Kräfte nimmt, ist durch die Sorgfalt des alten Steinschneiders und Mineralienhändlers Müller mehr bekannt geworden, und giebt zu bedeutenden geologischen Bemerkungen Anlaß. So wie ich mir denn die frühere Natur und Gestalt jenes heißwässrigen Phänomens und den Zustand seiner frühern Umgebung deutlicher gemacht habe als sonst. Denn freylich ist gegenwärtig durch Anlagen und Gebäude alles theils verändert, theils zugedeckt. Ein Bruder des von Struve, der sich so lange bey uns aufhielt, ein passionirter Mineraloge, war dabey als Theilnehmer sehr erwünscht. Er hat die große Genauigkeit Wernerischer Schüler in Beschreibung dieser natürlichen Gegenstände, viel Kenntniß und Thätigkeit, wobey ihm denn freylich seine Taille zu statten kommt, die ihm besser als uns die Berge zu besteigen erlaubt. Doch sind wir in Engelhaus gewesen und ich habe mich auf dem immer noch hartnäckig bestehenden Felsen alter Zeiten erinnert. Aus allen diesen Wegen und Schritten ist denn doch zuletzt eine schöne Folge von Mineralien entstanden, welche dem Jenaischen Cabinet einverleibt werden soll. Vielleicht fände sich in Teplitz ein Kenner und thätiger Naturfreund, der von dortaus gleichfalls eine Kiste nach Jena schicke, so könnten wir die beyden Sammlungen aneinanderstoßen und das eine Ende von Böhmen hätten wir wenigstens geologisch in Besitz genommen. Vorstehendes nehmen Sie gnädig und freundlich auf, so wie die Versicherung einer ewigen Anhänglichkeit. Carlsb. d. 4. Aug. [1806] an Morgen unsrer Abreise. Goethe.