36/146. An Carl Ernst Schubarth Ihr nach einer langen Pause meinem Wunsch gemäß an mich gelangtes Schreiben erfreut mich, mein Werthester, als ich daraus persönliche Gesundheit und angenehmen häuslichen Zustand zu ersehen glaube, ob mich gleich die Unentschiedenheit Ihrer äußeren Lage in Sorge setzt. Die dortigen Verhältnisse kann ich freylich aus der Ferne nicht beurtheilen, ja es möchte schwer seyn selbst bey einem längern Aufenthalt in Berlin, sich davon einen deutlichen Begriff zu machen. Alle meine Wünsche für Ihr Wohl sind Ihnen immer zur Seite. Wirkung in die Ferne durch briefliche Unterhaltung wird mir immer schwerer, und ich muß wünschen daß abwesende Freunde mögen recht ernstlichen Theil nehmen an dem, was ich gedruckt mittheile, und, weil sie mir immer gegenwärtig sind, sich dasjenige auszuheben geneigt wären, was sie an sich gerichtet fühlten. Im laufenden halben Jahr werden abermals einige Hefte erscheinen. Wollen Sie mir von Zeit zu zeit vertrauen, womit Sie sich beschäftigen, so werde ich solches gewiß mit Antheil vernehmen. Herrn von Hennings Einwirken in meine Farbenlehre mußte mich freylich sehr erheitern; ich kann einem jungen frischen Manne ein Geschäft übergeben, das lange auf mir lastet, und mit mehrerer Freyheit doch noch manche Stunden dazu widmen und meine Forschungen fortsetzen. Mein Aufenthalt in Böhmen hat mir dieses Jahr sehr wohl gethan, große Mannichfaltigkeit des Interesses ohne Zerstreuung ist mir geworden; Bewegung, fremde Gegenstände haben Körper und Geist aufgeregt; die Naturbetrachtung ja näher beide. Soviel für dießmal; Herrn Geh. Ober-Regierungsrath Schultz, dessen Trefflichkeit Sie mit wenig Gleichnißworten schildern, meine besten und angelegentlichsten Empfehlungen; das innige Verhälniß, das Sie so herzlich ausdrucken, läßt mich für Ihr Daseyn und ungetrübte Wirkung das Beste hoffen. Leben Sie wohl, grüßen Sie die Ihrige und schweigen nicht wieder so lange. treulichst Weimar den 28. October 1822. Goethe.