17/4830. An Friedrich Schiller Indem ich frage wie Sie sich befinden? und zugleich versichre, daß es mir, unter der Bedingung daß zu Hause bleibe, ganz leidlich gehen kann, gebe ich Nachricht von zwey Kunstwerken, die bey mir angelangt sind. Erstlich ein Gemählde, von einem alten Manieristen aus dem 17. Jahrhundert, vorstellend jede Weiber, die sich entblößen, um das fliehende Heer aufzuhalten und es gegen die Feinde zurückzutreiben, mit so viel Geist, Humor und Glück vorgestellt, daß es ein wahrhaftes Behagen erregt. Zweytens ein Stück von Calderon. Fernando, Prinz von Portugal, der zu Fetz in der Sklaverey stirbt, weil er Ceuta, das man als Löserpreis für ihn fordert, nicht will herausgeben lassen. Man wird, wie bey den vorigen Stücken, aus mancherley Ursachen im Genuß des einzelnen, besonders beym ersten Lesen, gestört; wenn man aber durch ist und die Idee sich wie ein Phönix aus den Flammen vor den Augen des Geistes emporhebt; so glaubt man nichts vortrefflicheres gelesen zu haben. Es verdient gewiß neben der Andacht zum Kreuze zu stehen, ja man ordnet es höher, viel leicht weil man es zuletzt gelesen hat und weil der Gegenstand so wie die Behandlung im höchsten Sinne liebenswürdig ist. Ja ich möchte sagen, wenn die Poesie ganz von der Welt verloren ginge, so könnte man sie aus diesem Stück wieder herstellen. Fügen Sie nun zu diesem günstigen Aspecten irgend einen Act von Tell hinzu, so kann mich in der nächsten Zeit kein Übel anwehen. Ruhe zu Nacht und gute Stimmung bey Tage wünscht herzlich Weimar am 28. Jan. 1804. G.