6/1550. An Johann Jost Textor Wohlgebohrner Insonders Hochzuehrender Herr Oheim! Es hat der Franckfurter Schuz-Jude Elias Löb Reiss, der schon seit 1766 von Durchlaucht dem Herzog meinem gnädigsten Herrn das Prädicat eines Hoffactors erhalten, neuerdings um das Prädicat eines Hofagenten und um Vermittelung bey dem dasigen Magistrat nachgesucht, dass ihm die Erlaubniss, Sonn- und Festtags ausser der Gasse zu gehen, mögte mitgetheilet werden. Nun hat sich dieser Mann um die Angelegenheiten der Eisenachischen und Apoldischen Kaufleute jederzeit besonders bemühet, so dass Durchlaucht der Herzog ihm wohl einige Distinction und Gnadenbezeugung von ihrer Seite mögten wiederfahren lassen; da sie aber auch nicht gerne durch ihre Intercession etwas gegen die Verfassung der Stadt verlangen und so sich entweder einer abschlägigen Antwort ausstellen oder einen ansehnlichen Magistrat etwas wiewohl ungerne zu gewähren in die Verlegenheit setzen wollen, so habe ich den Auftrag erhalten, bei Ew. Wohlgebohrn privatim anzufragen, in wie ferne Sie glauben, dass und auf was Art für gedachten Juden etwas günstiges zu thun seyn mögte. Haben Sie die Gefälligkeit mich mit einer baldigen Antwort zu beehren, mich der Frau Großmutter, der Frau Tante und allen werthen Angehörigen zu empfehlen und Sich überzeugt zu halten, dass ich mit der vollkommensten Hochachtung sey Ew. Wohlgebohrn ergebenster Diener Weimar, den 8. August 1782. J. W. von Goethe.