15/4345. An Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling Ich danke Ihnen herzlich für den Antheil an meiner Genesung, möge es sich doch recht bald schicken, daß ich das Vergnügen habe, Sie auf einige Tage wieder zu sehen; denn leider war, als wir Abschied nahmen, die Krankheit schon mit ziemlicher Gewalt eingetreten und ich verlor bald darauf das Bewußtsein meines Zustandes. Auch fühlte ich schon sehr während Ihres Hierseins, daß mir der völlige Gebrauch meiner Geisteskräfte abgehe. Nach den Versuchen, die ich in diesen Tagen gemacht habe, scheint sich so ziemlich alles in seine alte Ordnung hergestellt zu haben. Doch wird sich das erst in der Folge zeigen. Meine körperlichen Übelnehmen täglich ab und meine Kräfte zu, und so wollen wir, wie weit wir mit der Pflege Geistes und Leibes nach und nachgelangen. Schreiben Sie mir ja von Zeit zu Zeit und nur gerade von dem, was Sie eben interessirt. Es werden auch dadurch in mir immer mehr Berührungspuncte erzeugt. Ihren Anhang zu dem Eschenmayerischen Aufsatz habe ich mit vielem Vergnügen gelesen. Wenn ich ein Gleichnis brauchen darf, so gieng es mir wie einem, der in der Dämmerung auf bekannte Wege kommt und sich ganz gut zu rechte findet, ohne gerade jeden Gegenstand, an dem er vorbeigeht, deutlich zu erkennen. Auch hat mich die Fichtische Ankündigung in der allgemeinen Zeitung beschäftigt und unterhalten. Um wenigstens etwas zu thun, so habe ich in diesen Tagen angefangen, das Büchlein Theophrasts von den Farben zu übersetzen. Es ist eine wunderliche und schwierige Aufgabe, welche aber aufgelöst zu haben nicht ohne Nutzen sein wird. Leben Sie recht wohl und sagen Sie mir bald wieder ein Wort. Weimar am 1. Februar 1801. Goethe.