28/7917. An Sulpiz Boisserée Ihr allerliebster Brief trifft mich in Jena, an einem ganz einsamen Abende, in demselben Zimmer wo ich vor Jahren Ihre Domzeichnungen entfaltete, und wo von so lange her Ihre oft erneute Erinnerung schwebt; auch Ihr vorletzter Brief hat mich hier erfreut und beschäftigt; nun aber will mich vor allen Dingen der spät-frühen Veilchen erfreuen, die ich immer im Auge behalten werde. Soll ich es Ihnen sagen? – ja! – und Sie werden es sich zurecht legen: – alles geht jetzt bey mir so schnell und spurlos vorüber, daß ich schon nicht mehr weiß, daß jenes Büchelchen gedruckt sey. Ihre freundlichen Worte rufen mir so viele frische Geister hervor, und ich gewahre gern, daß ich Ihnen solche erst zugezaubert. Lassen wir alles andere; aber mich freut gar sehr, daß Sie den Stoff der Nausikaa gleich als tragisch erkannt, Ihnen traut' ich's zu und es betrübt mich auf's neue, daß ich die Arbeit damals nicht verfolgt. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche rührende, herzergreifende Motive in dem Stoff liegen, die, wenn ich sie, wie in Iphigenie, besonders aber in Tasso that, bis in die feinsten Gefäße verfolgt hätte, gewiß wirksam geblieben wären. Dieß Blatt soll fort, und doch möchte ich Ihnen etwas beylegen, was Ihnen näher brächte womit ich mich beschäftige. Hier der Entwurf zu einem größtentheils geschriebenen Aufsatz! Alles, was uns innigst angehört, kommt hier abermals zur Sprache. Begegnet Ihnen Bossis Werk, so werden Sie es mit Freude und Belehrung lesen, und hinterdrein kann ich hoffen wird Ihnen meine Rede nicht unwillkommen seyn. Freude und Gelingen! Jena den 4. December 1817. G.