49/126. An Johann Jacob und Marianne von Willemer Das liebe Schreiben vom 17. Juli liegt mir seit jener Zeit immer vor Augen, bis ich gestern Raum fand, die schöne Beschreibung des merkwürdigen Regenbogens in meine Collectaneen eintragen zu lassen, es ist ein sehr seltener Fall, der nur unter den mannigfaltigen Bedingungen sich zutragen kann. Wie Sie sich denn wohl erinnern daß es hoch Mittag gewesen. Seitdem ich Ende September von dem Nächstvergangenen einige Nachricht gegeben, habe ich mich fachte in die Winterquartiere zurückgezogen. Nun muß ich mir eine gleiche Retraite von der Mühle zur Stadt vorstellen und Sie am Fenster suchen wie Sie den lebhaften Mayn überblicken. Ich führe mein beschäftigtes Leben, wie sonst, immer fort, das mir von Zeit zu Zeit lästig und unfruchtbar und sodann wieder einmal wirksam und fröhlich erscheint und also von seiner Art und Sitte nicht lassen will. Eigentlich habe wenig oder nichts meinen Freunden zu Ergötzlichkeit hervorbringen können; indessen kommt vielleicht nächstens einiges welches zugleich Dank sagt und um Verzeihung bittet. Für die herkömmliche Freundlichkeit der musterhaften Distelköpfe habe vor allen Dingen Dank zu sagen; sie kamen, so wie wohlgemeynt, auch gerade zur rechten Zeit, und die lieben Gäste wußten nicht was sie von meiner vortrefflichen Gartenkunst denken sollten, so füll auch gesellige Gläser, zwar haushältisch, aber mit besten willen, von jenen freundlichen Frankfurter Geschenk, welches sich nicht weniger so wohl in den Thüringer Hügelgebirgen auszeichnet. Und so erreichen wir wieder Weihnachten und Neujahr, dem alten Schlendrian des Kalenders nach, aber, wie mir dünken will, mit immer gleich neuen und frischen Freundesgesinnungen, die den doch zuletzt allein das Leben erhalten und fördern. Die Meinungen sind wohl und thun mir wohl, indem sie sich, mit eigenen Charakteren und Tendenzen, an mich anschließen und, von mir gewinnend, auch mir zur Förderungen und Gewinn dienen. Fried' und Freude allen Wohl- wollenden, besonders den Nahen Verbundenen! Und so fortan! J. W. v. Goethe. Weimar den 6. December 1831.