39/204. An Amalie von Levetzow Sie sagten einmal, theuerste Freundin, das liebliche Wort: Sie könnten Marienbad nicht ohne mich dencken, und sind nun überzeugt daß ich jetzt gerade in dem Fall bin mich nicht ohne Marienbad dencken zu können. Die schönen Tage des Monats lassen mich nicht im Hause verweilen, und wenn man draußen ist, so möchte man denn auch über alle Berge; und ich weis recht gut über welche. Sollen denn nun meine lieben schlancken Gestalten quer über die Terrasse hüpfen, oder der Länge nach hin und her wandeln und ich soll weder Zeuge des einen, noch Geselle des andern seyn! Alle meine Freunde wollen mich von hier weg; denn sie mercken wohl daß mir etwas fehlt das ich auswärts suchen sollte; treten die Ärzte nun gar hinzu und rathen das Gleiche; so können Sie dencken daß ich unruhig und ungedultig werde. Ganz sicher sind Sie nicht vor mir, denn käm' ich auch nur zum Besuch auf wenige Tage, so sollten das schon Festtage werden, wenn sie sich an die schönen vom goldnen Straus anschließen wollten; von meiner Seite würde sich alles finden wie damals; und hofft man nicht Erwiederung die man wünscht. Allzuhinderlich aber sind mir tägliche Forderungen, die von allen Seiten an mich ergehen, die ich nicht ablehnen und kaum übertragen kann. Mich bestürmt gar vieles und Bedeutendes, öffentlich und häuslich, herkömmlich und unerwartet. Überdies müssen wir alle mit dem höchsten Antheil vor Augen haben das Jubiläum unseres gnädigsten, verehrten Herren, das am dritten September eintritt. Die wenigen Wochen bis dahin, wie leicht und schnell vergehen sie! Und so werd ich denn zwischen Wollen und Hoffen, zwischen Nothwendigem und Zufälligem dergestalt hingehalten daß ich so leicht nicht einen Entschluß fassen und mich doch auch nicht entschieden resigniren kann. Nun aber wünsche höchlich Sie mögen meiner fleißig gedencken, daß wenn ich ankäme alles wäre wie gestern Karlsbad auf der Wiese; wobey ich denn hoffe daß die gegitterten schottischen Anzüge wieder gesehen werden, und was sonst noch Bekanntes und liebliches an Ellbogen, Engelhaus, Aich und den Hammer erinnern könnte. Und so wünscht ich denn auch früheren Gästen die sich wieder eingefunden haben bestens empfolen zu seyn. Frau Pr. v. Bülow, denen Herren von Wartenberg, von Schack und Petrowsky; besonders auch dem Herrn Grafen St: Leu, wenn sein Zutrauen ihn wieder nach Marienbad geführt hat. Herrn Grafen Klevelsberg und den theuren Eltern, hoffe noch in geneigtem Andencken zu schweben. Wenn das in Straßburg noch glücklich angelangte Bild der lieben Ältesten übergeben worden, so wird sie ein Eigenthumsrecht daran gewiß empfinden. Möge die Mittlere zu allem ihrem Muthwillen wieder hergestellt seyn! und die Jüngste, in holder Natürlichkeit herangewachsen, ihre Umgebung erfreuen und beleben. Und so schließ ich, ob ich gleich noch viel zu sagen habe. Führen Sie es untereinander, im freundlichsten Gespräch umständlich aus. treu anhänglich Weimar d. 17 Juni 1825. J. W. v. Goethe.