10/3007 a . An Georg Christoph Lichtenberg Wohlgebohrner insonders hochgeehrtester Herr, Ew. Wohlgeb. haben mein ersten optischen Versuche mit soviel Nachsicht aufgenommen daß ich hoffen darf Sie werden auch meinen weiteren Arbeiten einige Aufmercksamkeit gönnen. Der Zeit und meinen Wünschen nach sollte ich schon weiter gekommen seyn; allein sowohl dieß Jahr als das vorige habe ich in mancherley Zerstreuungen zugebracht und die kriegerischen Begebenheiten von denen ich Zeuge gewesen lassen zu wissenschaftlichem Nachdencken wenig Raum. Indessen habe ich manches gesammelt und versucht und ich hoffe es bald ordnen und verbinden zu können. Wie ich die Lehre von den farbigen Schatten behandelt werden Ew. Wohlgeb. aus beyliegendem Hefte ersehen, ich gedencke die übrigen Bedingungen unter welchen wir apparente Farben erblicken nach und nach auf eben diese Weise vorzunehmen, wobey ich mir Ihre Theilnehmung und Belehrung erbitte. Wollten Ew. Wohlgeb. mir gefällig das Manuscript auf Weimar zurücksenden, wohin ich balde zu gehen hoffe und mir zugleich einige Nachricht von Ihrem Befinden geben? Ich wünsche daß sie günstiger als vor einem Jahre seyn möge. Erhalten Sie mir ein geneigtes Andencken und bleiben von meiner besondern Hochachtung überzeugt. Ew. Wohlgeb. ergebenster Franckfurt d. 11. Aug. 93. Goethe.