1/75. An Johann Daniel Salzmann [Sesenheim, Ende Mai] Unserm Herrn Gott zu Ehren geh ich diesmal nicht aus der Stelle; und weil ich Sie solang nicht sehen werde, denck ich, ist es gut wenn du schreibst wie dir's geht. Nun gehts freylich so ziemlich gut, der Husten hat sich durch Kur und Bewegung ziemlich gelöst, und ich hoffe er soll bald ziehen. Um mich herum ist's aber nicht sehr hell, die Kleine fährt fort traurig kranck zu seyn, und das gibt dem Ganzen ein schiefes Ansehn. Nicht gerechnet conscia mens, leider nicht recti, die mit mir herum geht. Doch ists immer Land. Ach wenn alles wäre wie's seyn sollte, so wären Sie auch da. Schreiben Sie mir doch auf den Freytag. Und wenn Sie mir wollten eine Schachtel mit 2 Pfunden gutem Zuckerbeckerwesen |: Sie verstehen besser als ich was Maidle gern essen :| packen lassen und mit schicken, so würden Sie zu süsseren Mäulern Anlaß geben, als wir seit einiger Zeit Gesichter zu sehen gewöhnt sind. Schicken Sies nur mit meiner Adresse unter die Gewerbslaub dem Säckler Schöll Freytags frühe, der wird's besorgen. Getanzt hab ich und die Aelteste, Pfingstmontags, von zwei Uhr nach Tisch bis 12 Uhr in der Nacht, an einem fort, ausser einigen Intermezzos von Essen und Trinken. Der Herr Amt-Schulz von Reschwoog hatte seinen Saal hergegeben, wir hatten brave Schnurranten erwischt, da giengs wie Wetter. Ich vergaß des Fiebers, und seit der Zeit ist's auch besser. Sie hätten's wenigstens nur sehen sollen. Das ganze mich in das Tanzen versunken. Und doch wenn ich sagen könnte: ich bin glücklich, so wäre das besser als das alles. Wer darf sagen ich bin der unglückseligste? sagt Edgar. Das ist auch ein Trost, lieber Mann. Der Kopf steht mir wie eine Wetterfahne, wenn ein Gewitter heraufzieht und die Windstöße veränderlich sind. Adieu! Sieben Sie mich. Sie sollen bald wieder von mir hören. Goethe.