15/4344. An Katharina Elisabeth Goethe Diesmal, liebe Mutter, schreibe ich Ihnen mit eigner Hand, damit Sie Sich überzeugen daß es wieder ganz leidlich mit mir geht. Das Übel hat mich freylich nicht ganz ungewarnt überfallen, denn schon einige Zeit war es nicht völlig mit mir wie es seyn sollte. Hätte ich im vorigen Jahre ein Bad gebraucht wie ich in früheren Zeiten gethan; so wäre ich vielleicht leidlicher davon gekommen; doch da ich nichts eigentliches zu klagen hatte; so wußten auch die geschicktesten Ärzte nicht was sie mir eigentlich rathen sollten und ich lies mich von einer Reise nach Pyrmont, zu der man mich bewegen wollte, durch Bequemlichkeit, Geschäfte, und Oekonomie abhalten, und so blieb denn die Entscheidung einer Crise dem Zufall überlassen. Endlich, nach verschiednen katharralischen Anzeigen, zu Ende des vorigen Jahrs, brach das Übel aus, und ich erinnere mich wenig von den gefährlichen neun Tagen und Nächten, von denen Sie schon Nachricht erhalten haben. Sobald ich mich wieder selbst fand ging die Sache sehr schnell besser, ich befinde mich schon ziemlich bey körperlichen Kräften und mit den geistigen scheint es auch bald wieder beym alten zu seyn. Merckwürdig ist daß eine ähnliche Kranckheit sich theils in unsrer Nähe, theils in ziemlicher Entfernung in diesem Monate gezeigt hat. Wie gut, sorgfältig und liebevoll sich meine liebe Kleine bey dieser Gelegenheit erwiesen werden Sie Sich dencken, ich kann ihre unermüdete Thätigkeit nicht genug rühmen. August hat sich ebenfalls sehr brav gehalten und beyde machen mir, bey meinem Wiedereintritt in das Leben viel Freude. Auch war mir der Antheil sehr tröstlich, den Durchl. der Herzog, die fürstliche Familie, Stadt und Nachbarschaft bey meinem Unfalle bezeigten. Wenigstens darf ich mir schmeicheln daß man mir einige Neigung gönnt und meiner Existenz einige Bedeutung zuschreibt. So wollen wir denn auch hieraus das Beste nehmen und sehen wie wir nach und nach die Lebensfäden wieder anknüpfen. Ich wünsche daß Sie diesen Winter recht gesund und munter zubringen mögen und da ich weder gehindert bin Gesellschaft zu sehen noch mich zu beschäftigen; so dencke ich die Paar traurigen Monate nicht ohne Nutzen und Vergnügen zuzubringen. Hier die Affiche des Tancred . Kurz vor meiner Kranckheit war ich damit fertig geworden. Grüßen Sie alle Freunde. Weimar d. 1. Febr. 1801. G.