3/482. An Johann Gottfried Herder Lieber Bruder heut war ich in der Superintendur, wo Hr. Consistorial Rath Seidler mit einem Schwanz von 10 Kindern nach und nach ausmistet. Ich hab gleich veranstaltet dass wenigstens das obre Stock reparirt werde, und so eingerichtet dass ihr einziehen, und deine Frau Wochen halten könne. auf die Woche wird angefangen. Ihr müsst euch indess gefallen lassen wie ich euch die Zimmer anlege. Es müssen noch Öfen gesezt werden Fenster gemacht, angestrichen, geweisst und so weiter. Berechne nur was dich Reise und Transport kostet, es wird dir alles ersezt. sie wollten dir 200 Thlr. schicken weil du aber schriebst du brauchsts nicht so hab ich sie hier gelassen. Kommt also sobald ihr könnt und wollt . Behelfen müsst ihr euch freylich im Anfange, sollts aber gar nicht fertig werden können so habt ihr immer meine Wohnung und Plaz genug drinn. und ich möcht wohl ein Faunchen in meinem Schlafzimmer gebohren haben. Lieber Bruder der Augenblick des Zeugens ist herrlich, das Tragen und Gebähren beschweerlich, so aber geboren ist, Freude. So wird's auch seyn wenn du als General Superintendent gebohren bist. Leb wohl. Du findst viel liebes Volk hier das dein offen erwartet. Du brauchst nur zu seyn wie du bist, das ist iezt hier Politik. [Und sinn dir eine Predigt aus zum Antritt plan und gut so als wie du sie ex tempore -] Ich hab das falsch gesagt. NB das gemeine Volck fürchtet sich vor dir es werde dich nicht verstehen; drum sey einfach in deiner ersten Predigt. Sag ihnen das gemeinste mit deiner Art, so hast du auch die. Die Geistlichen sind alle verschobene Kerls. Sind aber die iungen dir nicht ganz gram. Das ist wohl alles für dies mal. Bester Bruder der Kopf ist mir manchmal toll genug doch hab ihn Gott sei danck noch immer oben behalten. Der Stadtrath hat schon seine Denomination eingereicht. Die Confirmation wird erfolgen gleich, das wirst du hier finden. Gute Nacht. Dir wird hoffentlich wohl mit uns werden. Wieland grüst dich. [Weimar] den 5. Jul. 76. G.