26/7295. An Carl Ludwig Woltmann Weimar, den 8. Februar 1816. Ew. Hochwohlgeboren begrüßendes Schreiben traf mich eben bey Lesung Ihrer Geschichte Böhmens, welche mir zur angenehmen Unterhaltung mit Ihnen in der Ferne diente. Ich habe diesen Sommer freylich zu lange auswärts gezaudert, wodurch ich denn genöthigt bin, manches nachzuholen, welches um so schwieriger wird, als bey den neuen Acquisitionen unseres gnädigsten Fürsten manche Veränderungen und Anregung vorkommt, welche sich aber denn doch übertragen lassen, weil es angenehme Dinge sind. Obgleich manche Reize und Lockungen mich nach dem Rheine ziehen, so wünschte ich doch das gute alte Böhmen wieder zu sehn, das mir durch Ihre Darstellung, so wie durch die Sagen wieder auf's neue interessant geworden ist. Vor der Einbildungskraft und der Erinnerung steigt Böhmen wirklich als der Gegensatz von den Rheingegenden hervor, und ich glaube recht nach Beschreibung und Abbildung an die eminente Majestät von Prag. Von meinen Reisebemerkungen erhalten Sie nächstens ein Heft. Es stellt einen wundersamen Zustand dar, einen ausgesäten unzusammenhängenden Reichthum. Den beyden Herrn, welche von Prag nach meiner Abreise an den Rhein gekommen, nicht begegnet zu haben, thut mir sehr leid. Bey meinen Freunden stehen sie in gesegnetem Andenken. Die Anzeige einer neuen Ausgabe meiner Schriften wird auch zu Ihnen gelangen. Die beyden ersten Bände besonders empfehle ich meinen Freunden; sie werden darin manches finden, welches sie überzeugt, daß ich in Scherz und Ernst diese Jahre her mich immer heimlich mit Verständigen unterhalten habe. Übrigens will die Klugheit und die Liebe zum Frieden, daß ich ein Bändchen Paralipomena und so manches andre vor der Hand secretire, welches alles, nach meinen seligen Hintritt, Ihnen empfohlen seyn soll. Möge der gute Genius uns diesen Sommer mit soviel Kraft und Lebenslust zusammenführen, als den Umständen nach wünschenswerth seyn kann. Empfehlen Sie mich allen Wohlwollenden. Gehorsamst Goethe.