38/141. An Georg Moller Ew. Wohlgeboren Schreiben und Sendung, beide gehaltvoll, haben mir doppelt- und dreyfaches Vergnügen gemacht; ich sehe daraus, daß Sie noch immer mit wohlwollendem Zutrauen meiner gedenken; die Fortsetzung meiner gedenken; die Fortsetzung Ihrer historisch-architektonischen Bemühungen ist als höchst unterrichtend anzuerkennen; so wie die Äußerung am Schlusse des Briefes höchst bedeutend. Hier liegt gerade der Punct verborgen worauf Theoretiker und Praktiker, Bauherr und Kunstfreund immerfort ihr Augenmerk richten, ohne weder mit der Welt noch sich selbst einer werden zu können. Ew. Wohlgeboren haben die rechte Stelle getroffen! Der Baukünstler kommt oft, durch den Widerspruch des Vorsatzes und der Ausführung, in Verlegenheit und es begegnet ihm, daß er bey Anwendung des Überlieferten auf die nächsten Forderungen und Bedürfnisse in einen Conflict geräth, aus dem er sich kaum zu retten weiß; die von Ihnen angeführten Beyspiele sind hier treffend. Inwiefern aber eine Vermittelung möglich sey? würde immer eine umständlichere Ausführung erfordern. Wie sich jedoch darüber denke, theile nächstens, und wenn auch nur aphoristisch mit; in Hoffnung dagegen eines, bey so reicher Erfahrung immer nachdenkenden trefflichen Künstlers Betrachtungen zu vernehmen. Hochachtungsvoll ergebenst Weimar den 12. Juni 1824. J. W. v. Goethe.