31/260. An Carl Ernst Schubarth [24. August 1819.] Ihr werthes Schreiben, mein Theuerster, mit Beilage, trifft mich eben bei'm Aufräumen und Einpacken zu einer bevorstehenden Badereise, und ich eile nur für fortgesetzten Antheil und Zutrauen zu danken. So eben lasse ich an meiner Morphologie weiter drucken. Ältere hervorgesuchte Aufsätze nöthigen mich unmittelbar wieder an die Natur, die, Gott sei Dank! immer classisch bleibt; ihre ewig unwandelbar große Wahrheit vereinigt mehr und mehr die Menschen. Ich wenigstens darf mich freuen, daß junge, tüchtige, den Gegenständen auf's Mark dringende Freunde auch in dem Sinne wandeln, aus dem ich mich seit so vielen Jahren nicht entfernen konnte. Eben so erfreulich ist mir im ästhetischen Sinne Ihre treue Theilnahme. Nehmen Sie es aber mit sich selbst nicht zu genau: denn in der Art, wie Sie es betreiben, ist nichts natürlicher, als daß von Zeit zu Zeit neue Ansichten hervortreten und Sie mit eigenen früheren Äußerungen nicht ganz zufrieden sein können. Von den Nibelungen habe ich seiner Zeit so viel zu mir genommen, als mir frommte. Mögen sie jetzt und künftig hin einem jeden auch das Seine bedeuten; für den Augenblick kann ich mich nicht damit befassen. Übrigens komme ich mir bei Gelegenheit des zurückkehrenden Heftes abermals wie der Leichnam Mosis vor, um welchen sich die Dämonen streiten. Thun Sie von Ihrer Seite das Mögliche, daß der Altvater bei seinen Ahnen im Haine zu Mamre anständig beigesetzt werde. Anfang Octobers bin ich wieder zurück und wünsche alsdann das Weitere von Ihnen zu hören. treulichst Jena den 21. August 1819. Goethe.