35/136. An Carl Ernst Schubarth Die ersten 15 Bogen Ihres Werkes machten mir und meinen Freunden schon seit geraumer Zeit viel Vergnügen, da Ihre Überzeugung mit der unsrigen übereintrifft; nun kommt das Ganze und soll uns gleich willkommen seyn. Dabey freute mich gar sehr, daß mein Auszug der Ilias aus einem zwanzigjährigen Schlafe zu gleicher Zeit erwachte, da dessen Zweck und Absicht ist, sich das herrliche Ganze der Ilias übersehbarer menschlichen Kräften darzustellen. Zugleich vermelde, daß am 7. November ein Brief abgegangen, aber noch an Ihre erste Wohnung adressirt. Da ich die sondernde, verneinende Epoche überstanden habe, die dem dichter durchaus verhaßt seyn muß, so thut es mir sehr wohl, zu erleben, daß Jüngere bemüht sind, ihn wieder zu Ehren zu bringen. Ein Engländer hat auch mit gutem Sinne und Geschmack die Integrität des Homers zu vertheidigen angefangen; das ist doch einmal ein erfreulicher Zeitgeist. Ich werde nicht verfehlen, ihm fernerhin zu huldigen. Professor Hermann hat Anfang und Ende eines Euripideischen Stücks Phaeton aus der Pariser Handschrift herausgegeben; ich habe eine Übersetzung veranlaßt und beschäftige mich nun, mit Behülfe und Einschaltung schon bekannter Fragmente dieses Stücks das Ganze vor den Geist wieder herzustellen, indeß die Chorizonten auch an den ganzen Stücken nieseln und rütteln; jene Beschäftigung macht mir viel Vergnügen. Möge Wunsch und Vorsatz gelingen; die Nachricht davon wird zu dem Angenehmsten gehören, was mir begegnen kann. treulichst Weimar den 19. November 1821. Goethe. Herr Zelter, der mir auf vierzehn Tage seine Gegenwart gegönnt, verläßt mich eben; er wird mündliche Grüße ausrichten und, insofern Sie Musikfreund sind, gerne fördern und vergnügen.