West- und Ostpreußen. 495. Die Sagen von dem König Waidewuttus. (S. Erasmus Stella, Antiq. Boreal. L. II. L. David Bd. I. S. 15 etc. Waissel, Chronica Alter Preußischer, Eiffländischer und Curländischer Historien. Königsb. 1599 S. 11 b. etc.) Zu der Zeit, da Valentinian das Römische Reich verwaltete, empörten sich die Alanen (d.i. ein Volk gegen Mitternacht, anstößig mit den Preußen) wider das Römische Reich und wurden darnach von den Sicambern überwunden. In demselben Kriege machten aber die letztern mit ihnen und ihren Nachkommen einen ewigen Frieden. Diejenigen Alanen aber, welche von der Schlacht übrig geblieben waren, sind zum Theil durch das Reich hinweggezogen bis nach Spanien und haben sich dort mit den Gothen verbunden und Gothalanen genannt. Der kleinste Theil derselben aber, der daheim geblieben oder nach der Schlacht wieder heimgekommen war, der zog mit Weib und Kindern und aller seiner Habe zu den Nachbarn, den Preußen. Dorthin führten sie auch allen ihren Reichthum und Hausrath auf Karren und Wagen, sowie ihr Vieh mit sich und vertrauten sich den Preußen an. Diese verschmähten sie auch nicht, denn sie wurden so viel stärker, um andern Völkern Widerstand zu leisten, namentlich den Germanen, vor denen sie sich fürchteten, die an dem inwendigen Gestade der Weichsel wohnten und welche sie oft aus ihren Wohnungen vertrieben hatten. Darum vergönnten sie es den Alanen, daß sie bei ihnen wohnen durften und diese wieder erlaubten ihnen, ihre Weiber zu gebrauchen, denn sie kannten die Ehe nicht. Wie einer zu einem Weibe kam, so gebrauchten sie solches zu ihrer Lust, darum nahmen sie so zu, daß ihrer so viele wurden, daß sie aller Völker Meister wurden, die sich wider sie legten. Darum ward ihnen das Land bald zu enge, denn es hatte ein Jeder so viel Landes für sich und seine Pferde genommen, als ihm gefallen hatte, deshalb wurden sie oft untereinander uneins. Diese Zwietracht brachte aber das barbarische Volk dahin, daß sie nach einem König trachteten. Da trat Vidivitus, ein Alane, vor, der der angesehenste war unter allen, denn er hatte viel Gesinde und war auch deswegen bei den ausländischen Leuten zu großem Ansehn und großer Gewalt gekommen. Dieser sprach: »O Ihr Preußen, wenn Ihr nicht toller wäret als Euere Bienen, so dürftet Ihr darum keinen Streit haben. Denn sie haben einen König, dem sie gehorchen, der ihren Handel und Arbeit führt etc. Ihr, die Ihr solches alle Tage sehet, sollet ihnen nachfolgen und auch einen König über Euch setzen, dem ihr gehorsamet, derselbe soll allen Hader und Zwietracht zwischen Euch richten, Todschläge rächen, Diebstahl strafen, die Unschuldigen beschirmen und soll vor allen Gewalt und Recht haben zu richten ohne allen Auszug.« Diesen Worten stimmten sie alle zu und schrieen: »Willst Du nicht unser Bioterus sein?« das heißt auf ihre Sprache ein Bienenkönig. Der verachtete aber die Stimme nicht und ward von ihnen allen zu ihrem König ernannt. Also ehrgeizig sind die Menschen, daß keiner so schlecht ist, er meinte, er wäre gut zu einem König. Dieser war nun bis auf diesen Tag eben so grob und toll gewesen, als die andern und fing nun an zu regieren, allein um das Anschreien des tollen groben Volkes willen. Ihm hat aber nichts gemangelt an dem Gemüthe eines Königs. Denn sobald er von dem Volke zu seinem König erwählt worden war, da richtete er allen Fleiß dahin, daß er dem Bienenkönige nachfolgte. Darum beschloß er zum ersten das herumschweifende Volk an einem besondern Orte zu versammeln wie die Bienen in ihrem Stock oder Faß, da ein Jeder seine Arbeit thut. Er ermahnte sie auch zum Acker-und Feldbau, nach dem es einem Jeden gebühren möchte. Etliche säeten und pflanzten Bäume, die Andern zogen Bienen, Andere Vieh, es waren auch Einige, die der Fischerei oblagen. Er machte auch Gesetze, damit er es verhüten möchte, daß ihnen das Land nicht zu enge würde. Zum ersten, daß kein Hausvater mehr Kinder oder Knechte erzöge, als ihm von Nöthen war, seine Arbeit zu vollbringen, die übrigen sollte er verkaufen oder tödten. Es sollte auch kein Hausvater lahme oder unnütze Kinder aufziehen, die nicht tüchtig zur Arbeit seien, er erlaubte auch, daß ein Sohn seinen Vater erwürgen dürfe, wenn er nicht mehr arbeiten könne. Er verbot auch, daß man die Weiber nicht mehr ins Gemein brauchen sollte, auf daß ein Jeder wissen könne, welches sein Kind sei. Darum richtete er die Ehe ein. Welche oder wie viele Jungfrauen ein Hausvater beschliefe, um der Kinder willen, sie wären ihm nun fremd oder angehörig, so sollte er sie auch behalten und ernähren. Er verbot auch, daß Keiner eines Fremden Tochter entführe, es wäre denn, er kaufte sie. Den Ehebruch verbot er nicht gerade, aber er ließ die Ehebrecher aus seinem Gebiete verjagen. Damit er das grobe Volk etwas zahmer machte, so richtete er öffentliche Bankette ein und darin hat er auch nicht gefehlt, denn er machte sie bald so weich, daß er mit ihnen machte, was er wollte. Darum gebot er, man solle sich befleißigen gastfrei zu sein, denn das sei der Leim aller Freundschaft. Er lehrte sie auch einen Trank aus Honig und Wasser machen, den brauchten sie in ihrem Hauswesen oder eigenem Bankette, der schmeckte auch dem gemeinen Volke so wohl, daß sie bald ganz voll davon wurden. Er wollte auch etwas Glaubens aufrichten und schickte nach Preußen zu ihren Nachbarn, den Sudaven. Diese waren aber mit so unsinnigem Aberglauben befleckt, daß sie lehrten allerlei wüste Thiere, als Schlangen und Nattern anbeten, als wären diese Diener und Boten der Götter. Diese erzogen sie in ihren Häusern und opferten ihnen wie den Hausgöttern. Sie sagten, die Götter wohnten in den Wäldern, und deshalb müsse man ihnen auch opfern, daß sie Sonne und Regen gäben. Es werde auch ihr Opfer verunehrt, sobald ein Fremder dazu käme. Sie meinten auch gewißlich, man müsse dazu ein menschlich Opfer gebrauchen. Alle wilden Thiere, vorzüglich die Elenthiere, die in den Wäldern wohnen, die verehrten sie als Diener der Götter und thaten ihnen nichts. Sie glaubten auch, daß Sonne und Mond die vornehmsten Götter wären. Donner und Blitz beteten sie auch an, wie andere Völker und sagten, man müsse mit dem Gebet das Wetter bringen oder abwenden. Sie brauchten zum Opfer einen Bock, weil das Thier so fruchtbar ist. Sie meinten auch, die Götter wohnten in den vornehmsten großen Bäumen, als in den Eichbäumen. Daraus hörte man oft, daß die Götter (oder Teufel) Antwort gaben, so man etwas fragte. Darum hieben sie deren keinen ab, sondern hielten sie für Wohnungen der Götter. Sie zählten unter die Bäume auch den Flieder- oder Hollunderbaum und andere mehr. Er richtete auch ein, daß man Geburtstäge und Leichenfeier hielt und zwar mit Schlemmen und Prassen, Singen und Spielen und aller Freude. Sie sollten sich auch so halten, als wenn sie ein anderes Leben hofften. Dies bezeugten sie damit, daß sie die Todten mit aller Rüstung, Waffen, Hausrath und Kleidung begruben. Als nun Vidivitus das Volk also eingerichtet hatte, so regierte er das Land in großem Frieden, gestattete Niemandem auf die Nachbarn zu streifen, litt aber auch keinen Schaden von ihnen. Als er aber starb, da ließ er vier Söhne hinter sich, die wurden uneins um des Reiches willen, und überfielen einander mit Kriegen. Aber der älteste Bruder hatte eine Alanische Mutter und keine Hilfe, denn allein von den Alanen, so waren ihm die Preußen Feind, darum mußte er den Brüdern weichen, die mehr Volks an sich hatten. Als nun aber viele Schlachten geschlagen waren, da machten sie ein Ende ihrer Zwietracht, also daß der älteste Sohn, der von der Alanin geboren war, mit seinen Alanen wieder hinzog, von wo er gekommen war, daselbst sollte er über sie herrschen, wie er mochte, und sollte den drei Brüdern, die in Preußen von einer preußischen Mutter geboren waren, das Land Preußen lassen. Dies Gedinge nahm der Litalanus (also hieß der erste Bruder) an und zog aus Preußen mit einem großen Haufen seines Volkes. Dieweil ihrer nun so viele waren, so füllten sie das alte Land wieder aus, welches sie leer fanden. Sie sind darnach auch von diesem ihren Hauptmanne Litalanus genannt worden und heißen jetzt Lithuaner. Die aber in Preußen blieben, die theilten das Land nach den Häuptern, und ward dem Pomesanus, welcher der älteste unter ihnen war, das Theil Landes, das Hulmigerien am nächsten liegt. Da wohnten dazumal die Germanen, vor denen sich die Preußen am Meisten fürchteten. Dieweil aber Pomesanus ein tapferer und trotziger Mann war, so verhofften sie, er werde das Land am Besten beschirmen, und ist dieser Theil darnach Pomesania genannt worden. Der andere Sohn Vidiviti, Galingus genannt, dem ward das Land, das jetzt Galingia heißt, und das Land hat seinen Namen auch von ihm. Der dritte Natangus überkam Natangen, von ihm genannt. Dies sind die vornehmsten Theile des Preußenlandes, aber ihre Kinder und Kindeskinder theilten ihr väterliches Erbe weiter, damit sie mancherlei Namen eingeführt haben, daß diese Barti, jene Naoderiti genannt werden, so heißen auch noch die Wormenser von den Varmis her. Als nun die Söhne Vidiviti das Reich unter sich getheilt hatten, da legten sie den Königsnamen ab und regierte ein Jeder in seinem Theile, wie es ihm wohl gefiel, und wurden oft mit einander feindselig, doch waren sie in dem allerwegs eins, daß sie auch ihre Nachbarn vorzüglich die Germanen und Polen streiften und angriffen. Darum trieben sie ihnen unsäglich viel Vieh hinweg und wenn man ihnen dann nacheilte, so verbargen sie sich an heimlichen Orten in den Wäldern, wo ihnen Niemand zu folgen wagte. Aus diesen Räubereien hatten nun die Hauptleute und das Volk viel Verdienst, darum unterließen sie bald den Feldbau, dazu sie Vidivitus gezogen hatte, oder bauten nicht mehr als was sie für ein Jahr bedurften. Also kamen sie in Kurzem wieder in ihre alten Sitten hinein, mit Rauben und Morden. Es giebt indeß noch eine andere Sage über diesen Waidewuttus, welche also lautet. Es hat nämlich ein König aus England, Namens Drusius, etliche Völker aus seinem Lande um ihrer Untreue willen nach Scandien, d.i. Norwegen, ins Elend verschickt und diese Völker sind nach langer Zeit aus Scandien oder Norwegen nach Cimbrien, jetzt Dänemark genannt, gekommen und von dannen weiter nach Gothland oder Klein-Cimbrien. Diese Scandianer sind dem Fürsten von Dänemark auch ungehorsam geworden und haben ihm keinen Tribut geben wollen. Als nun die Gothen Wälschland und andere Länder, welche sie mit Gewalt eingenommen hatten, räumen mußten, da kamen sie nach Westphalen und bauten allda eine Stadt, die heißt Göttingen. Sie blieben aber daselbst nicht lange, sondern wurden von da vertrieben und kamen nach Dänemark. Da sandten sie ihre Botschaft an den Fürsten dieses Landes, der hieß Tewdoth, und begehrten von ihm ein Stück Landes zur Wohnung. Tewdoth hatte viel von den Gothen und ihrer Macht gehört, fürchtete sich und gab den Gothen zur Antwort, er habe eine Insel in seiner Herrschaft, die heiße Klein-Cimbrien, darin sei ein Volk, die Scandianer, die erkenneten ihn nicht als ihren Oberherrn und wollten ihm keinen Tribut geben, so dies nun die Gothen thun wollten, so möchten sie Klein-Cimbrien einnehmen. Solches verhieß der Gothen Fürst Wysbo dem Tewdoth und sandte an den Scandianer Fürsten Bruteno und Wydewito und ließ sie fragen, ob sie Cimbrien mit Güte räumen wollten, weil sie ihrem rechten Oberherrn, dem Fürsten in Dänemark, nicht gehorsam sein noch Tribut geben, oder ob sie um die Insel mit den Gothen kämpfen wollten? Die Scandianer gingen zu Rathe, und sprachen: »Sollen wir Tribut geben, die wir edel und frei geboren sind, das wäre uns eine große Schande. Sollen wir aber mit den Gothen darum kämpfen, so sind wir verloren. Darzu so haben uns unsere Götter gerathen, daß wir dieses Land verlassen sollen, denn es würde unserem Volke zu klein werden, und wir werden ein anderes Land überkommen, darin wir größer und mächtiger sein werden.« Also gaben die Scandianer den Gesandten der Gothen Bescheid, so die Gothen mit den Scandianern einen ewigen Frieden machen wollten, daß die Scandianer vor ihnen mit Frieden blieben, in welchem Lande sie wohnen würden, so wollten sie Cimbrien gutwillig verlassen und davon ziehen. Und ein solcher Friede ward gemacht von beiden Theilen und mit Briefen und Siegeln bestätigt und bekräftigt. Die Insel, Klein-Cimbrien, ward nachgehens von den Gothen, die sie einnahmen, Gothland genannt und dieselben bauten dort ein Schloß, das sie nach ihrem Fürsten Wyesbra nannten, das heißt noch heutigen Tages Wisby. Darnach sind die Scandianer, Jung und Alt, Mann und Weib, 4600 mit Floßen durch Cronus (die Ostsee) und Hailibo (das frische Haff) und in das Land Ulmigeria in Preußen gekommen, wo sie fromme schlichte Leute fanden, und haben allda die ersten Schlösser gebaut, welche sie Honedo Bruteno genannt haben. Der Scandianer König hat sich erstlich gegen die Ulmigerier freundlich gehalten, viele Gastgebote gemacht und die Vornehmsten des Volkes an sich gelockt, hat sich das Volk anhängig gemacht, Etliche mit Freundschaft, Etliche mit Hinterlist, Etliche auch mit Gewalt, bis er ihr Oberherr geworden. Also sind die Scandianer nach Preußen gekommen. Nun waren aber die Ulmigerier bis dahin den Fürsten von der Masau oder den Masoviern zinspflichtig gewesen und hatten einen Tribut, bestehend aus den schönsten Kindern des Landes, dorthin schicken müssen. Die Cimbrier aber weigerten sich diesen Zins weiter zu bezahlen und als der König der Masovier Anthonos oder Andislaus drohte ihn selbst mit Gewalt zu holen, zogen Bruteno und Widewuto ihm bis an die Grenze entgegen. Anthonos hatte aber ein Hilfsheer aus Roxolanien, was jetzt Rußland heißt, erhalten und so schlug er sie und führte viele Jünglinge als Gefangene mit sich fort. Nachdem aber diese bei ihm die Kriegskunst erlernt hatten, entwichen sie wieder zu den Ihrigen und unterrichteten diese darin. Hierauf entbot Bruteno den ganzen Adel des Landes nach Rikaito, einem von ihm erbauten Schlosse, und als sie alle versammelt waren, da kam ein furchtbares Donnerwetter und sie glaubten, der Gott Perkunos steige selbst vom Himmel herab. Bruteno aber erklärte dieses Ereigniß für ein günstiges Vorzeichen und hieß sie gegen Anthonos ins Feld ziehen, die Götter würden ihnen beistehen. Sie brachen auch, nachdem sie sich in Meth berauscht hatten, in das Land der Masovier ein und tödteten nicht blos Anthonos, sondern auch Zweybach, den Fürsten von Roxolanien, erschlugen viele seiner Leute und kehrten mit reicher Beute heim. Des Anthonos Sohn aber, Czanwig, sah, daß er den Cimbriern nicht gewachsen sei, kam also zu ihren Führern und bat um die Erlaubniß ihren Göttern opfern zu dürfen, und als er diese erlangt hatte, so ließ er auf einem freien Felde ein weißes Pferd zu Tode rennen und dann verbrennen. Von da kam es, daß Niemand im Lande ein weißes Pferd weiter mochte, sondern man mußte sie für die Götter halten. So ward Friede zwischen den Masoviern und Cimbriern, die jetzt Brutener hießen. Inzwischen beschlossen die Cimbrier sich einen König zu wählen und boten zuerst diese Stelle dem Bruteno an. Dieser aber erklärte, er könne diese Wahl nicht annehmen, da er sich zum Dienste der Götter verpflichtet habe, und schlug an seiner Stelle seinen Bruder Widewuto vor, der ein tapferer Mann sei und das Volk gut regieren werde. Widewuto aber mit dem ganzen Volke erklärten, sie wollten Bruteno zum Oberherrn haben und nannten ihn Kriwe Kriwaito, d.i. unser Herr nächst Gott, und versprachen ohne seinen Willen nichts zu thun, sondern ihm wie einem Gotte zu gehorchen. Von ihm nannten sie auch das Land Brutenia. Darauf baute Bruteno bei einer sechs Ellen dicken Eiche für die Götter Pakollo, Potrimpo und Pikollo, für den Kriwe Kriwaito und die Waidelotten oder Priester eine besondere Wohnung, die er Rikaito nannte, Widewuto aber baute zwischen Crono und Hailibo ein Schloß und nannte es Noytto oder Neitenburg auf der Nehrung und regierte von hier aus das Land. Als nun Widewuto 116 und Bruteno 132 Jahre alt war, was im Jahre Christi 573 oder 600 geschehen sein soll, fürchteten sie, es möchte sich unter den Söhnen des erstern ein Zwiespalt entspinnen, wer von ihnen nach seinem Tode die Obergewalt haben solle, denn alle strebten darnach und hatten sich schon einen Anhang erworben. Da versammelte denn der Kriwe die Vornehmsten des Landes vor die heilige Eiche nach Romove in Samland und eröffnete ihnen, daß er die Götter befragen wolle, wie es mit dem Regiment des Landes nach Widewuto's Tode gehalten werden solle. Am folgenden Tage hat er in Gegenwart Widewuto's dem vor der heiligen Eiche versammelten Volke verkündigt, es sei der Wille der Gothen, daß das ganze Land unter die zwölf Söhne des Widewuto getheilt würde. Hierauf riefen sie zuerst den ältesten Sohn des letztern herbei, der hieß Litpho oder Litthuo und sprachen zu ihm: »Gelobest Du unsern gnädigen Göttern Andacht und ihrem Kriwaito Gehorsam und daran zu setzen Leib und Gut, so Jemand sie verringern wolle in ihrer Ehre?« worauf Litthuo sprach: »Ich gelobe es bei der Strafe meines Gottes Perkuno, der mich tödten soll durch sein Feuer, so ich meinen Eid nicht halte!« Da sprach Bruteno: »So lege Deine Hand auf das Haupt Deines Vaters und darnach rühre die heilige Eiche an!« und also that er. Darnach sprach Widewuto: »Du sollst Herr sein im Lande von Borko (Bug) und Nyemo (Niemen), den fließenden Wassern bis an Themso an den Wald.« Und er nahm es mit der Zeit ein und baute sich eine Veste, die nannte er nach seinem Sohne Gartho (Grodno), das Land aber bekam von ihm selbst den Namen Litthauen. Darnach erhielt Samo, Widewuto's zweiter Sohn, das Land von Crono und Hailibo bis auf Skara das Wasser und nahm es mit der Zeit ein und nannte es nach sich Samland. Er baute sich aber auf einem aufgeschütteten Sandberge eine Veste, die nannte er Chailgarwo (Galtgarben). Seine Frau Pregolla ertrank später in dem Flusse Skara und dieser ward nach ihr Pregel genannt. Der dritte Sohn Sudo bekam das Land zwischen Crono, Skara und Curtono (das kurische Haff), was er zu seiner Zeit einnahm und nach seinem Sohne eine Veste Perpeylko baute, das Land bekam aber nach ihm den Namen Sudauen. Die Einwohner aber haben sich alle für Edelinge gehalten und sind die lustigsten Leute in ganz Preußen. Nadro, der vierte Sohn, erhielt das Land zwischen Skara, Bolko und Curtono, nannte es Nadrauen und erbaute dort eine Veste, Staymto geheißen. Scalawo, der fünfte Sohn, erhielt das Land zwischen Pregolla, Curtono, Niemo und Rango dem Wasser und nannte es Scalawonien (Schalauen). Seine Unterthanen waren aber die faulsten und ungetreusten in ganz Preußen. Natango, der sechste Sohn, erhielt das Land zwischen Pregolla, Alla, Bassaro (Passarge) und Hailibo und wohnte auf dem Schlosse Honeda. Das Land er hielt den Namen Natangen. Sein Sohn Lucygo, dem die Burg Noyto und das Wasser Crono zugeeignet ward, war ein eifriger Fischer. Er fand zuerst den Bernstein. Barto, der siebente Sohn, erhielt die Alla aufwärts bis an Lycko (Lyck) das Wasser und bis an das Land seines Bruders Lytpho und nannte es nach der darin erbauten Veste Barto (Bartenstein) Bartenland. Er hatte viele Söhne, von denen sich jeder eine Veste erbaute, aber mit den Erben Natango's stets in Zwietracht lebten, weil sie glaubten, bei der Theilung zu Gunsten Lucygo's geschädigt worden zu sein. Der achte Sohn Galindo erhielt das Land von Kaboso an bis an die Grenzen von Masau und nannte es Galindien, nachdem er eine Burg, Galindo (Galinderberg) erbaut hatte. Dem neunten Sohne Warmo verlieh der König die Lande an der Nava (Naviensee) und Bassaro. Er erbaute sich eine Feste Tolo und nannte das Land nach seiner Gemahlin Ernia Warmien oder Ermeland. Hoggo, der zehnte Sohn, erhielt das Land zwischen Weseke, Bassaro und Drusino (Draussen) dem Wasser. Er nannte das Land Hogger- oder Hockerland, oder auch nach seiner Tochter Poggezana Poggesanien 1 und baute sich eine Veste Tolko (Tolkemit), nachher Schafsberg genannt. Der eilfte Sohn des Königs, Pomeso, erhielt das Land zwischen Weseke, Mokra (Ossa), Noyta (Nogath), Istula (Weichsel) bis an die Grenze von Masau und nannte es Pomesanien. Er hatte keine Burg, sondern lebte unter einem Zelte. Seine Söhne aber bauten die Burgen zu Risno (Riesenburg), Bolto, Waso und Nargoltons. Der zwölfte Sohn des Königs, Chelmo, erhielt das Gebiet zwischen Mokra, Istula und Driwantza (Dreventz) und baute sich eine Burg, die er Chelmo nannte und jetzt Althaus Kulm heißt, und eine zweite, welche er nach seinem Sohne Potto (Potterberg) nannte. Das Land aber bekam den Namen Kulmerland. Als nun Widewuto seines hohen Alters wegen nicht mehr wie sonst die Seinigen anführen konnte, so machten die Nachbarvölker ein Bündniß, um dies zu benutzen und in das Land der Brutener einzufallen. Er beschloß also, sich selbst für sein Land zum Opfer zu bringen und seinen nunmehr unnützen Körper dem Feuer zu übergeben, damit er sich also mit den Göttern unterreden und ihre Hilfe gegen die Feinde des Landes erbitten könne. Er befahl also seinem Sohne, sobald sein feierliches Leichenbegängniß abgehalten und seine Asche verbrannt sei, den Kampf im Vertrauen auf die Hilfe der Götter muthig zu beginnen. Hierauf ließ er vor der großen Eiche zu Romove einen hohen Holzhaufen errichten, auf den das Volk brennende Fackeln warf, so daß die Flammen mit großem Geprassel in die Luft fliegen. Dann brachten sie Opfer an kleinem und großem Vieh, sonderlich Ochsen mit vergoldeten Hörnern, deren Eingeweide sie in die Gluth warfen. Der König aber stand herrlich bekleidet, eine goldne Schale mit Meth, den er einer großen schwarzen Kuh zwischen die Hörner goß, haltend, den rechten Fuß und den linken Arm aber nackt, und betete zu den Göttern, sie möchten ihn als Opfer für sein Volk gnädig annehmen und dafür seinem Volke den Sieg verleihen. Nach dieser Rede stürzte er sich furchtlos in die Flammen. Hierauf führten die Obristen des Volkes und die Jünglinge einen Kriegsreigen mit kläglichem Jammer und Geschrei um den Scheiterhaufen auf und schlugen dreimal mit den Waffen an einander, daß es weithin durch den Wald schallte, dann aber riefen sie alle nach Rache und zogen muthig gegen ihre Feinde. Nach einer andern Sage hat sich aber auch Widewuto's Bruder Bruteno freiwillig dem Feuertode geweiht und das Volk hat dann Beide als Götter verehrt, erstern unter dem Namen Ißwambrato, letztern unter dem des Wurßkaito. Fußnoten 1 Andere Erklärungen dieser Namen sind nach Hartknoch, Alt. u. Neues Preußen S. 33. 36 und Anmerk zu d. Chronik von Duisburg S. 73 folgende: Samland (von Samia = schöpfen) bezeichnet das Land wo Bernstein gefischt wird, Natango einen Klugen und Verschlagenen, Nadro einen der Flachs baut, oder von Nadrawin d.h. Waldbienenhonig, Hockerland (von Hoggin, rohgen) das Ackerbauland Poggesanien ist = Friedland (von Poggua Friede und Zemia Land) oder der Starken Land (von Pojein der Starke und Zemia. )