Der Geburtstag oder Die Partikularisten Im weißen Pferd Erstes Kapitel Im weißen Pferd Wer Bildung und Moral besitzt, Der wird bemerken, daß anitzt Fast nirgends mehr zu finden sei Die sogenannte Lieb und Treu. – Man sieht zuerst mit Angstgefühlen Herunterfallen von den Stühlen Die angestammten Landesväter – Sodann, als kühler Hochverräter, Zieht man die Tabaksdos hervor, Blickt sanft und seelenvoll empor, Streckt sich auf weichem Kanapee, Schlürft mit Behagen den Kaffee – Und ist man so aufs neu erfrischt, Dann denkt man: »Na, die hat's erwischt!« So denkt der böse Mensch. – Jedoch Es gibt auch gute Menschen noch. – Zu Milbenau im weißen Pferd Bei Mutter Köhm, die jeder ehrt, Da sitzen, eng vereint und bieder, Auch diesen Sonntagabend wieder Nach altem Brauch im Freundschaftskreise Die Männer und die Mümmelgreise. – »Et blivt nich so! Et blivt nich so!!« So murmelt jeder hoffnungsfroh. – »Et schall nich bliben ans et is! Et schall weer weeren anse süß!!« »Un dat seg eck! Un dat seg eck!« So spricht entschieden Schneider Böck. – Hierauf spricht lächelnd Krischan Stinkel Und zwinkert mit dem Augenwinkel: »Eck segge man, vor min Pläsier, Gottlof! Wat is de Botter dür!!« Dagegen ruft der lange Korte Mit Zorneseifer diese Worte: »Kreuzhimmeldausenddonnerwär, Uns' olle König mot weer her!!« Jetzt sieht sich Bürgermeister Mumm Bedenklich nach der Seite um. »Pißt!!« – ruft er – »Ruhig, liebe Leut! Seid untertan der Obrigkeit!!« »Ja, aber man bis insoweit! Seggt unse olle Herr Pastor.« »Dat hat he seggt!!!« – so tönt's im Chor. – Hierauf, so wird es etwas stille, Und grad kommt Herr Aptheker Pille. »Ihr Leute, daß ich's bloß man sage! Denn morgen ist der Tag der Tage, Da er geboren, der – – ihr wißt! – –« »Ja ja, so is't! Ja ja, so is't!!« »Nun ist Euch allen wohlbekannt Der Busenfreund, den ich erfand, Der segensreiche Labetrank, Der, sei man munter oder krank, Erwärmend dringt bei hoch und nieder Durch Kopf, Herz, Magen und die Glieder – – Wie wär es, hochverehrte Freunde, Wenn man im Namen der Gemeinde Ein Dutzend Flaschen oder so – –« »Ja ja, man to! Ja ja, man to!!« So tönt es laut im treuen Kreise Der Männer und der Mümmelgreise. Und jeder ruft: »He, Mutter Köhmen! Up düt will wi noch Einen nöhmen!!« Gesagt, getan. – Für Mutter Köhm Ist dies natürlich angenehm. Nächtliche Politik Zweites Kapitel Nächtliche Politik In seinem Bett um Mitternacht, Voll Sorgen, die er sich gemacht, Liegt hier des Dorfes Bürgermeister. Die aufgestörten Lebensgeister Befassen sich beim Kerzenlichte Noch immer mit der Weltgeschichte, Wie sie getreu vermeldet hat Das angestammte Wochenblatt; Daß nämlich, wie die Sachen liegen, Die Preußen nächstens Schläge kriegen. – Nur einer macht ihm stilles Graun – Der Bismarck, dem ist nicht zu traun! So liegt er da und ballt die Rechte Und täte gerne, was er möchte; Bis ihn in Schlummer wiegt um eins Der Genius des Brannteweins. – Na, na! Das gibt noch ein Malör! – Die Zippelkappe neigt sich sehr. – Es kommen in Berührung fast Die Flamme und der Mützenquast. – Schon brennt der Zippel wie ein Licht. Die Obrigkeit bemerkt es nicht. – Bald aber dringt die Glut und Hitze Zum schlummernden Gedankensitze. – Potzsapperment! Hier heißt es schnelle! Die Kopfbedeckung leuchtet helle. Kreuzdunnerschlag! Ich dacht es ja! 's ist wieder mal kein Wasser da!! In Ängsten findet manches statt, Was sonst nicht stattgefunden hat. Da liegt die Mütze sehr versehrt. Das Haar ist meistens weggezehrt. – Doch kann ein Sacktuch auch zu Zeiten In kühler Nacht das Haupt bekleiden; Nur hat sodann die Zippelmütze Vier Spitzen statt der einen Spitze. Der Busenfreund Drittes Kapitel Der Busenfreund Es war ein schönes Morgenrot. Die Hähne krähn, es dampft der Schlot. Schon hörte man, wie Müseling, Der Kuhhirt, an zu tuten fing. Und jeder holet aus dem Stalle Bei lustigem Trompetenschalle Die krummgehörnten Buttertiere, Daß Müseling sie weiterführe. Wer auch schon munter, das ist Pille. Er bürstet seine Sonntagshülle Und rüstet sich beizeiten schon Zu seiner hohen Staatsmission. – Allhier im Korbe, eng vereint, Sind zwanzig Flaschen Busenfreund. Und hier der Nachbar Fritze Jost Befördert sie zur nächsten Post. »Nur ja recht sachte und gemach!« Ruft Pille – »Gleich, gleich komm ich nach!« – Schon hinter Meiers alter Planke Kommt Fritze Josten ein Gedanke. Verlockend ist der äußre Schein. Der Weise dringet tiefer ein. Hier trägt er neugestärkt und heiter Die süße Bürde emsig weiter. Doch allbereits an Müllers Hecke Verweilt er zu demselben Zwecke. Bald treibt ein süßes Hochgefühl Ihn weiter fort zu seinem Ziel. Nur an der ernsten Kirchhofsmauer Nimmt er es noch einmal genauer. Zum Schlusse sieht er sich genötigt, Hinwegzuschaffen, was erledigt. – Nun aber zeigt er sich alsbald Als eine schwankende Gestalt, Die an der Mauer festbegründet Bis jetzt noch eine Stütze findet. Indessen bald so fehlt die Stütze. – Der Busenfreund rinnt in die Pfütze. – Mit viel Geschrei in einer Reih Kommt eine Gänseschar herbei. Als nun die Schnabbelei begann, Schaut eine Gans die andre an. Sie tauchen froh nach kurzer Zeit Sich tiefer in die Süßigkeit, Derweil die Frösche schnell und grün Aus tiefem Grund ans Ufer fliehn. – Grad kommen, denn es ist halb neune, Der Schweinehirt und seine Schweine. Nun wird es lustig allerseits. Die Gänse wackeln schon bereits. Dem Hirt sein Bock fängt an zu springen, Die Schweine wälzen sich und singen. Viel Kurzweil treibt man anderweitig Sowohl allein wie gegenseitig. Jetzt eilt die Bauernschaft herbei Und wundert sich, was dieses sei. Bald ist auch Pille reisefertig Bei diesem Schauspiel gegenwärtig. Zuerst erfaßt zu aller Schreck Der Ziegenbock den Schneider Böck. Auf seinem zackigen Gehörne Trägt er denselben in die Ferne. Der Bürgermeister, ängstlich blau, Bewegt sich fort auf Kanters Sau. Jetzt kommen, Pille in der Mitten, Zwei alte Weiber angeritten. Herr Pille aber wird zuletzt Vor einer Stalltür abgesetzt. Hierbei verlieret seinen Glanz Der schöne Sonntagsschwalbenschwanz. – Als man hierauf verwundersam In einem Kreis zusammenkam, Da hieß es: »Kommt na Mutter Köhmen, Up düt da will wi Einen nöhmen!!« Gesagt, getan! – Für Mutter Köhm Ist dies natürlich angenehm. Die Eier Viertes Kapitel Die Eier Das weiß ein jeder, wer's auch sei, Gesund und stärkend ist das Ei. – Nicht nur in allerlei Gebäck, Wo es bescheiden im Versteck; Nicht nur in Soßen ist's beliebt, Weil es denselben Rundung gibt – Nicht eben dieserhalben nur – Nein, auch in leiblicher Statur, Gerechtermaßen abgesotten, Zu Pellkartoffeln, Butterbrotten, Erregt dasselbe fast bei allen Ein ungeteiltes Wohlgefallen; Und jeder rückt den Stuhl herbei Und spricht: »Ich bitte um ein Ei!« – Daß dieses wahr, das fühlte klar Sogar die treue Bauernschar. – Der Plan mit Pillens Busenfreund, So wohlbedacht, so gut gemeint – Man kann wohl sagen – ist mißraten, Doch Treue sinnt auf neue Taten. – Denn daß zu diesem hohen Tage Etwas geschieht, ist keine Frage. – Der sanfte Johann Hinrich Dreier Der sprach: »Wo dünket jük de Eier?« »Kein besser Ding vor diesen Zweck!« Rief Schneider Böck. – »Und dat seg eck!!« »Ick ok!« – schreit Korte – »Dunnerslag! Keen Minsche, de nich Eier mag!« Und alle riefen laut und froh: »Ja ja, man to! Ja ja, man to!« Bald ist im Dorfe weit und breit Mann, Weib und Kind in Tätigkeit, Um zu den obgedachten Zwecken In Scheunen, Ställen und Verstecken, In unwirtsamen dunklen Ecken Des Huhnes Eier zu entdecken. – Die Hühner machen groß Geschrei; Denn auch das Huhn verehrt das Ei, Was es im stillen treu gelegt Und gerne weiter hegt und pflegt, Bis nach den vorgeschriebnen Wochen Ein Pieperich hervorgekrochen. – Jedoch nicht jedes ist so gut. – Es gibt auch welche, die die Brut Treulos verlassen – und so eins Ist leider Krischan Stinkel seins. – »Du wutt nich sitten, Lork?« denkt Stinkel Und zwinkert mit dem Augenwinkel – »Na, denn lop hen! Na, denn man to! Ok recht! Ick weit wol, wat ick do!!« Nachdem er so in seiner Mütze Die Eier, daß er sie benütze, Mit etwas Häckerling vermengt, Behutsam leise eingezwängt, Trägt er dieselben zu dem Orte, Wo dieses Mal der lange Korte, Der ehedem und hierzuvor Gestanden bei dem Gardekorps, Die Gaben gern entgegennimmt. – Ja, dieser Korte ist bestimmt, Als Ehrengreis und Biedermann, Der so etwas am besten kann, Begleitet von zwei Ehrendamen, Natürlich in Gemeinde Namen, Das Festgeschenk noch diesen Morgen An hoher Stelle zu besorgen. – Hier steht die Kutsche vom Pastor Und Kortens Ochse steht davor. Daneben stehet Kortens Sohn. – Zwei Stunden ist's zur Bahnstation. Mit Vorsicht wird zuerst placiert Der Eierkorb, wie sich's gebührt. Sogleich nach diesem, wie sich's schickt, Die Ehrenjungfern, reich geschmückt. Mit Ruh und Würde und zuletzt Hat Korte sich hineingesetzt. »Nu, Kunrad, jüh! Wi wünschet Glücke!!« – – Nicht weit davon ist eine Brücke. – Es rutscht das Rad. – Herrje! Schrumbum! – Da fällt die alte Kutsche um. – Bestürzt ist jedes Angesicht. Wie's drinnen ist, das weiß man nicht. Nun hebt nach oben, ohne Worte, Sich Korte aus der Kutschenpforte. Nun kommt ein Ehrenjungfernbild, In Eigelb merklich eingehüllt. O weh! Es fehlt noch immer eine! – Gottlob! Hier sieht man ihre Beine! – Die Jungfern und der Ehrengreis Sind alle drei ganz gelb und weiß. Man ist bemüht, sie abzuwischen. – »Puh!« – hieß es – »Hier sind fule twischen!!« Hier schlich beiseite Krischan Stinkel Und zwinkert mit dem Augenwinkel Und spricht zu seiner Frau Christine: »De fulen, Stine, dat sind mine!!« – Als man darauf verwundersam In einem Kreis zusammenkam, Da hieß es: »Kommt na Mutter Köhmen! Up düt, da möt wi Einen nöhmen!!« Gesagt, getan. – Für Mutter Köhm Ist dies natürlich angenehm. – Die Butterhenne Fünftes Kapitel Die Butterhenne Das wäre also auch mißraten. Doch ist's noch Zeit zu neuen Taten. – Hierauf bezüglich, mit Gefühl, Sprach Herr Adjunktus Klingebühl: »Geliebte! So wie ich erachte, Indem ich diesen Fall betrachte, Bedenke, prüfe, überlege Und mit Bedachtsamkeit erwäge – So ist gewiß für treue Liebe Und sonsten eingepflanzte Triebe Das schönste Beispiel, so ich kenne, Das Mutterhuhn, genannt die Henne. – Ich weiß nicht, ob Ihr dieses wißt – –« »Ja ja« – rief jeder – »ja, so is't!!« »– – – – Nun wohl! So lasse man, als ein Symbol, Durch unsern Bäcker und Konditer – Ich meine hier Herrn Knickebieter – Aus Butter und dergleichen Sachen Ein Ebenbild der Henne machen.« – »Ja ja« – rief jeder laut und froh – »Ja ja! man to! Ja ja! man to!!« Bald ist im Dorfe weit und breit Manch treues Weib in Tätigkeit, Die Butter durch ein rastlos Wälzen Und Kneten innig zu verschmelzen. Und alle diese schöne Butter Legt freudig Tochter oder Mutter Als eine tiefempfundne Spende In Knickebieters Künstlerhände. Mit Freuden tut er sie begucken Und denkt: »Das ist ein schöner Hucken!« Sogleich, nachdem er sich geschneuzt, Wird er zum Schaffen angereizt. »Sieh, sieh! Da ist ja eine bei, Die innen voll Kartoffelbrei. Oh!« – sprach er – »Oh, du alter Schlinkel! Die ist gewiß von Krischan Stinkel!!« Zuerst mit großem Vorbedacht Wird Kopf und Leib und Schwanz gemacht. Die Augen macht man mit dem Daumen Vermittelst zwo gedörrter Pflaumen. Als Schnabel wird die rote Rüben Zweckmäßig in den Kopf getrieben. Nun wirft man mit geheimer Wonne Den Überrest in seine Tonne. Nicht übel! Nur erscheint mir bloß Das ganze Bildnis etwas groß. Noch mal gemacht! – Und zwei Rosinen Die können auch als Augen dienen. Und, da das Ganze ein Symbol, So kann's nicht schaden, wenn es hohl. Und wieder mit geheimer Wonne Wirft er, was übrig, in die Tonne. Er steht und sieht sein Werk von ferne Und spricht: »Na, so hab ich dich gerne!« Er schafft die Tonne fort verstohlen. Man kommt, die Glucke abzuholen. »Willkommen! Eure Meinung, bitt ich!« »Gott ja! Man bloß 'n beten lüttich!« Der Wagen steht und wartet schon. – Der Bürgermeister in Person Wird dieses Mal und zwar allein Der Fest- und Ehrenbote sein. Bei jedem ist die Freude groß, Denn gleich geht die Geschichte los. Und jeder ruft: »Wi wünschet Glücke!« – Den Gaul umschwirrt die Stachelmücke. »Oha!« – schrie alles voller Not – »Herrgott! He sit de Klucken dot!« Er sitzt am Boden sehr erschreckt. Das Festgeschenk ist fast verdeckt. Du liebe Zeit! Welch ein Malör! Man kennt das schöne Bild nicht mehr. Finale Sechstes Kapitel Finale Die Zeit ist um, der Tag vergeht. Für dieses Jahr ist es zu spät. Und stumm und in sich selbst gekehrt Begibt man sich ins weiße Pferd. – »Ja ja! De Botter de is dür!« Sprach Krischan Stinkel, als man hier. – »Nu is't to late!« – meinte Böck – »Ich schäme mir vor diesen Zweck!« »Dat hat Aptheker Pille schuld!« Schrie Korte voller Ungeduld. »Da muß ich bitten! Liebster, Bester!« »Ne – Korte!!« – »ne! – de Burgemester!!!« So schrie man laut und fürchterlich. Der Tisch fällt um. Man prügelt sich. – Als man hierauf verwundersam In einem Kreis zusammenkam, Da hieß es: »Heda! Mutter Köhmen! Up düt da will wi Einen nöhmen!!« Gesagt, getan. – Für Mutter Köhm War alles dieses angenehm.