Lieder eines Lumpen I. Als ich ein kleiner Bube war, War ich ein kleiner Lump; Zigarren raucht' ich heimlich schon, Trank auch schon Bier auf Pump. Zur Hose hing das Hemd heraus, Die Stiefel lief ich krumm, Und statt zur Schule hinzugeh'n, Strich ich im Wald herum. Wie hab' ich's doch seit jener Zeit So herrlich weit gebracht! – Die Zeit hat aus dem kleinen Lump 'n großen Lump gemacht. II. Der Mond und all' die Sterne, Die scheinen in der Nacht; Hinwiederum die Sonne Bei Tag am Himmel lacht. Mit Sonne, Mond und Sternen Bin ich schon lang' vertraut, Sie scheinen durch den Ärmel Mir auf die bloße Haut. Und was ich längst vermutet, Das wird am Ende wahr: Ich krieg' am Ellenbogen Noch Sommersprossen gar. III. Ich hatt' einmal zehn Gulden! – Da dacht' ich hin und her, Was mit den schönen Gulden Nun wohl zu machen wär'. Und obendrein das Liebchen, Das Liebchen fromm und gut, Das quälte mich schon lange Um einen neuen Hut. Ich dacht' an meine Schulden, Ich dacht' ans Liebchen mein, Ich dacht' auch ans Studieren – Das fiel zuletzt mir ein. Was sollt' ich Ärmster machen? Ich wußt' nicht aus noch ein. – Im Wirtshaus an der Brucken Da schenkt man guten Wein. Zum Lesen und Studieren, Da muß man Bücher han, Und jeder Manichäer Ist auch ein Grobian. Im Wirtshaus an der Brucken Saß ich den ganzen Tag. Ich saß wohl bis zum Abend Und sann dem Dinge nach. Im Wirtshaus an der Brucken, Da wird der Dümmste klug. Des Nachts um halber zwölfe, Da war ich klug genug. Des Nachts um halber zwölfe Hub ich mich von der Bank Und zahlte meine Zeche Mit zehen Gulden blank. Ich zahlte meine Zeche, Da war mein Beutel leer. – Ich hatt' einmal zehn Gulden. Die hab' ich jetzt nicht mehr. IV. Im Karneval da hab' ich mich Recht wohlfeil amüsiert; Denn von Natur war ich ja schon Fürtrefflich kostümiert. Recht unverschämt war ich dazu Noch gegen jedermann, Und hab' aus manchem fremden Glas Manch' tiefen Zug getan. Bei Maskeraden konnt' ich so Passieren frank und frei; Man meinte am Entree, daß ich Charaktermaske sei. Darüber freuten sich die Leut' Und haben recht gelacht, Daß ich den echten Lumpen so Natürlich nachgemacht. Nur einem groben Kupferschmied, Dem macht' es kein Pläsier, Daß ich aus seinem Glase trank – Er warf mich vor die Tür'. V. Von einer alte Tante Ward ich recht schön bedacht: Sie hat fünfhundert Gulden Beim Sterben mir vermacht. Die gute alte Tante!! – Fürwahr! Ich wünschte sehr, Ich hätt' noch mehr der Tanten Und – hätt' sie bald nicht mehr. VI. Ich bin einmal hinausspaziert, Hinaus wohl vor die Stadt, Da kam es, daß ein Mädchen mir Mein Herz gestohlen hat. Ihr Aug' war blau, ihr Mund war rot, Blondlockig war ihr Haar. – Mir tat's in tiefster Seele weh, Daß solch ein Lump ich war. VII. Seit ich das liebe Mädchen sah, War ich wie umgewandt, Es hätte mich mein bester Freund Wahrhaftig nicht gekannt. Ich trug, fürwahr! Glacéhandschuh', Glanzstiefel, chapeau claque; Vom feinsten Schnitt war das Gilet Und magnifik der Frack. Vom Fuße war ich bis zum Kopf Ein Stutzer comme il faut; Ich war, was mancher and're ist, Ein Lump inkognito. VIII. Was tat ich ihr zuliebe nicht?! Zum erstenmal im Leben Hab' ich mich neulich ihr zulieb' Auf einen Ball begeben. Sie sah wie eine Blume aus In ihrer Krinolinen, Ich bin als schwarzer Käfer mir In meinem Frack erschienen. Für einen Käfer – welche Lust! An einer Blume baumeln; Für mich – welch' Glück! an ihrer Brust Im Tanz dahinzutaumeln. Doch ach! mein schönes Käferglück, Das war von kurzer Dauer; Ein kläglich schnödes Mißgeschick Lag heimlich auf der Lauer. Denn, weiß der Teufel, wie's geschah, Es war so glatt im Saale – Ich rutschte – und so lag ich da Rumbums! mit einem Male. An ihrem seidenen Gewand Dacht' ich mich noch zu halten – Ritsch ratsch! da hielt ich in der Hand Ein halbes Dutzend Falten. Sie floh entsetzt. – Ich armer Tropf, Ich meint', ich müßt' versinken. Ich kratzte mir beschämt den Kopf Und tät' beiseite hinken. IX. Den ganzen noblen Plunder soll, Den soll der Teufel holen!! Ein Leutnant von der Garde hat Mein Liebchen mir gestohlen. Du neuer Hut, du neuer Frack, Ihr müßt ins Pfandhaus wandern. Ich selber sitz' im Wirtshaus nun Von einem Tag zum andern. Ich sitz' und trinke aus Verdruß Und Ärger manchen Humpen. Die Lieb', die mich solid gemacht, Die macht mich nun zum Lumpen. Und wem das Lied gefallen hat, Der lasse sich nicht lumpen; Der mög' dem Lumpen, der es sang, Zum Dank – 'n Gulden pumpen.