Julchen Vorbemerk Vorbemerk Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Ersteres wird gern geübt, Weil es allgemein beliebt. Selbst der Lasterhafte zeigt, Daß er gar nicht abgeneigt; Nur will er mit seinen Sünden Keinen guten Zweck verbinden, Sondern, wenn die Kosten kommen, Fühlet er sich angstbeklommen. Dieserhalb besonders scheut Er die fromme Geistlichkeit, Denn ihm sagt ein stilles Grauen: Das sind Leute, welche trauen. – So ein böser Mensch verbleibt Lieber gänzlich unbeweibt. – Ohne einen hochgeschätzten Tugendsamen Vorgesetzten Irrt er in der Welt umher, Hat kein reines Hemde mehr, Wird am Ende krumm und faltig, Grimmig, greulich, ungestaltig, Bis ihn dann bei Nacht und Tag Gar kein Mädchen leiden mag. Onkel heißt er günst'gen Falles, Aber dieses ist auch alles. – Oh, wie anders ist der Gute! Er erlegt mit frischem Mute Die gesetzlichen Gebühren, Läßt sich redlich kopulieren, Tut im stillen hocherfreut Das, was seine Schuldigkeit, Steht dann eines Morgens da Als ein Vater und Papa Und ist froh aus Herzensgrund, Daß er dies so gut gekunnt. Julchen das Wickelkind Julchen das Wickelkind Also, wie bereits besprochen: Madame Knoppen ist in Wochen, Und Frau Wehmut, welche kam Und das Kind entgegennahm, Rief und hub es in die Höh: »Nur ein Mädel, ach herrje!« (Oh, Frau Wehmut die ist schlau; So was weiß sie ganz genau!) Freilich Knopp der will sich sträuben, Das Gesagte gleich zu gläuben; Doch bald überzeugt er sich, Lächelt etwas säuerlich, Und mit stillgefaßten Zügen Spricht er: »Na, denn mit Vergnügen!!« Dieses Kind hat eine Tante, Die sich Tante Julchen nannte; Demnach kommt man überein, Julchen soll sein Name sein. Julchen, als ein Wickelkind, Ist so, wie so Kinder sind. Manchmal schläft es lang und feste, Tief versteckt in seinem Neste. Manchmal mit vergnügtem Sinn Duselt es so für sich hin. Manchmal aber wird es böse, Macht ein lautes Wehgetöse Und gibt keine Ruhe nicht, Bis es was zu lutschen kriegt. – Sein Prinzip ist überhaupt: Was beliebt ist auch erlaubt; Denn der Mensch als Kreatur Hat von Rücksicht keine Spur. – O ihr, die ihr Eltern seid, Denkt doch an die Reinlichkeit! Wahrlich, hier gebührt Frau Knopp Preis und Ehre, Dank und Lob. Schon in früher Morgenstund Öffnet sie den Wickelbund, Gleichsam wie ein Postpaket, Worauf Knopp beiseite geht. Mit Intresse aber sieht Er, was fernerhin geschieht. Macht man Julchens Nase reinlich, So erscheint ihm dieses peinlich. Wie mit Puder man verfährt, Dünkt ihm höchst bemerkenswert. Freudevoll sind alle drei, Wenn die Säuberung vorbei. Nun mag Knopp sich gern bequemen, Julchen auch mal hinzunehmen. Flötend schöne Melodien, Schaukelt er es auf den Knien. Auf die Backe mit Genuß Drückt er seinen Vaterkuß. Eine unruhige Nacht Eine unruhige Nacht Einszweidrei, im Sauseschritt, Läuft die Zeit; wir laufen mit. – Julchen ist hübsch kugelrund Und schon ohne Wickelbund. – Es ist Nacht. – Frau Doris ruht, Während Knopp das Seine tut. Aber Julchen in der Wiegen Will partu nicht stille liegen. Er bedenkt, daß die Kamille Manchmal manche Schmerzen stille. Wirkungslos ist dieser Tee. Julchen macht: rabäh, rabäh! Lieber Gott, wo mag's denn fehlen? Oder sollte sonst was quälen? O wie gern ist Knopp erbötig, Nachzuhelfen, wo es nötig. Aber weh, es will nicht glücken, Und nun klopft er sanft den Rücken. – Oder will's vielleicht ins Bette, Wo auf warmer Lagerstätte Beide Eltern in der Näh? Nein, es macht: rabäh, rabäh! Schau! Auf einmal wird es heiter. – Knopp begibt sich eilig weiter Und bemerkt nur dieses noch: »Ei potztausend! Also doch!!« Ein festlicher Morgen Ein festlicher Morgen Einszweidrei, im Sauseschritt Läuft die Zeit; wir laufen mit. – Julchen ist schon sehr verständig Und bewegt sich eigenhändig. – Heut ist Feiertag; und siehe! Schon streicht Knopp in aller Frühe Luftiglosen Seifenschaum Auf des Bartes Stachelflaum. Heut will er zur Messe gehn, Denn da singt man doch so schön. Frau Dorette trägt getreu Frack und Biberhut herbei. Julchen gibt indessen acht, Was der gute Vater macht. Bald ist seine Backe glatt, Weil er darin Übung hat. In die Kammer geht er nun, Julchen macht sich was zu tun. Gerne ergreifet sie die Feder An des Vaters Schreibkatheder. Reizend ist die Kunstfigur Einer Ticktacktaschenuhr. Ach herrje! Es geht klabum! Julchen schwebt; der Stuhl fällt um. Allerdings kriegt Julchen bloß Einen leichten Hinterstoß, Doch die Uhr wird sehr versehrt Und die Tinte ausgeleert. – Schmiegsam, biegsam, mild und mollig Ist der Strumpf, denn er ist wollig. Drum wird man ihn gern benutzen, Um damit was abzuputzen. – Wohlbesorgt ist dieses nun. Julchen kann was andres tun. – Keine Messer schneiden besser Wie des Bartes Putzemesser. Wozu nützen, warum sitzen An dem Frack die langen Spitzen?? Hier ein Schnitt und da ein Schnitt, Ritscheratsche, weg damit. – Wohlbesorgt ist dieses nun. Julchen kann was andres tun. – In des Vaters Pfeifenkopf Setzt sich oft ein fester Pfropf, Ja, was schlimmer, die bewußte Alte, harte, schwarze Kruste; Und der Raucher sieht es gerne, Daß man sie daraus entferne. – Wohlbesorgt ist dieses nun. Julchen kann was andres tun. – Stattlich ist der Biberhut; Manchmal paßt er nur nicht gut. Niemals soll man ihn benützen, Um bequem darauf zu sitzen. Seht, da kommt der Vater nun, Um den Frack sich anzutun. Schmerzlich sieht er, was geschehn, Und kann nicht zur Messe gehn. Böse Knaben Böse Knaben Einszweidrei, im Sauseschritt Läuft die Zeit; wir laufen mit. – Unsre dicke, nette Jule Geht bereits schon in die Schule, Und mit teilnahmsvollem Sinn Schaut sie gern nach Knaben hin. Einer, der ihr nicht gefiel, Das ist Dietchen Klingebiel. Peter Sutitt, frech und dick, Hat natürlich auch kein Glück. Ferdinandchen Mickefett Scheint ihr nicht besonders nett. Försters Fritze, blond und kraus, Ja, der sieht schon besser aus. Keiner kann wie er so schön Grade auf dem Kopfe stehen; Und das Julchen lacht und spricht: »So wie Fritze könnt ihr's nicht!« Kränkend ist ein solches Wort. Julchen eilt geschwinde fort. Knubbs! Da stoßen die drei Knaben Julchen in den feuchten Graben, Und sie fühlen sich entzückt, Daß der Streich so gut geglückt. Wartet nur, da kommt der Fritze! Schwapp, sie liegen in der Pfütze. Fritz ist brav und sanft und spricht: »Gutes Julchen, weine nicht!« Julchens Kleid ist zu beklagen. Knopp der muß die Kosten tragen. Vatersorgen Vatersorgen Einszweidrei, im Sauseschritt Läuft die Zeit; wir laufen mit. – Julchen ist nun wirklich groß, Pfiffig, fett und tadellos, Und der Vater ruft: »Was seh ich? Die Mamsell ist heiratsfähig!« Dementsprechend wäre ja Mancher gute Jüngling da. Da ist Sutitt; aber der Praktiziert als Vetrinär. Da ist Mickefett; doch dieser Ist Apthekereiproviser. Da ist Klingebiel; was ist er? Sonntags Kanter, alltags Küster. Und dann Fritz, der Forstadjunkt, Das ist auch kein Anhaltspunkt. Einfach bloß als Mensch genommen Wäre dieser höchst willkommen, Nur muß Knopp sich dann entschließen, Ganz bedeutend zuzuschießen. – – Kurz gesagt mit wenig Worten, Ob auch Knopp nach allen Orten Seine Vaterblicke richte, Nirgends paßt ihm die Geschichte. – Anderseits, wie das so geht, Mangelt jede Pietät. Man ist fürchterlich verliebt, Ohne daß man Achtung gibt Oder irgendwie bedenkt, Ob man alte Leute kränkt. Selten fragt sich so ein Tor: Was geht in den Eltern vor?? – Ja, so ist die Jugend heute! – Schrecklich sind die jungen Leute Hinter Knoppens Julchen her, Und recht sehr gefällt es der. – Was hat Knopp doch für Verdruß, Wenn er das bemerken muß! – Hier zum Beispiel abends spät, Wie er still nach Hause geht, Sieht er nicht mit Stirnefalten, Wie drei männliche Gestalten Emsig spähend da soeben Starr vor Julchens Fenster kleben? Zornig mit dem Wanderstab Stochert er sie da herab. Er verursacht großen Schreck, Doch den Ärger hat er weg. Herzverlockende Künste Ständchen Ständchen Ständchen Der Abend ist so mild und schön. Was hört man da für ein Getön?? Sei ruhig, Liebchen, das bin ich, Dein Dieterich, Dein Dietrich singt so inniglich!! Nun kramst du wohl bei Lampenschein Herum in deinem Kämmerlein; Nun legst du ab der Locken Fülle, Das Oberkleid, die Unterhülle; Nun kleidest du die Glieder wieder In reines Weiß und legst dich nieder. Oh, wenn dein Busen sanft sich hebt, So denk, daß dich mein Geist umschwebt. Und kommt vielleicht ein kleiner Floh Und krabbelt so – Sei ruhig, Liebchen, das bin ich. Dein Dieterich. Dein Dietrich der umflattert dich!! Platsch! – Verstummt ist schnell und bang Nachtgesang und Lautenklang. Eilig strömt der Sänger weiter; Er ist traurig, Knopp ist heiter. – Die Tante auf Besuch Die Tante auf Besuch Unvermutet, wie zumeist, Kommt die Tante zugereist. Herzlich hat man sie geküßt, Weil sie sehr vermöglich ist. Unser Julchen, als es sah, Daß die gute Tante da, Weiß vor Freude nicht zu bleiben Und hat allerlei zu schreiben. – Sutitt hielt vor großem Kummer Grade einen kleinen Schlummer. Froh wird er emporgeschnellt, Als er dies Billett erhält: »Weißt du, wo die Rose blüht??? Komm zu mir, wenn's keiner sieht!!« Stolz und schleunig diese Zeilen Mickefetten mitzuteilen, Eilt er zur Aptheke hin. Ach, wie wurde dem zu Sinn; Plump! so fällt ihm wie ein Stein Neidgefühl ins Herz hinein. Aber sagen tut er nichts. – Scheinbar heitern Angesichts Mischt er mancherlei Essenzen, Ums dem Freunde zu kredenzen Unter Glück- und Segenswunsch; Und dem Freunde schmeckt der Punsch. – Hoffnungsvoll, beredt und heiter Schlürft er arglos immer weiter. Aber plötzlich wird er eigen, Fängt sehr peinlich an zu schweigen Und erhebt sich von dem Sitz. »Ei«, ruft Mickefett, »potzblitz! Bleib doch noch ein wenig hier!« Schnupp! Er ist schon aus der Tür. – Mickefett voll List und Tücke Wartet nicht bis er zurücke, Sondern schleicht als falscher Freund, Wo ihm Glück zu winken scheint. – Seht, da steigt er schon hinein. Freudig zittert sein Gebein. Und er küßt die zarte Hand, Die er da im Dunkeln fand. Und er hält mit Liebeshast Eine Nachtgestalt umfaßt. – Mickefett! Das gibt Malör, Denn die Tante liebt nicht mehr! – Ängstlichschnelle, laut und helle Schwingt sie in der Hand die Schelle. Schwerbewaffnet kommt man jetzt. Mickefett ist höchst entsetzt. Schamverwirrt und voller Schrecken Will er sich sogleich verstecken. Aber autsch! Der Säbel ritzt, Weil er vorne zugespitzt. Schmerzgefühl bei großer Enge Wirkt ermüdend auf die Länge. Bratsch! Mit Rauschen und Geklirr Leert sich jedes Waschgeschirr. Man ist sehr verwirrt und feucht. Mickefett entschwirrt und fleucht. Schmerzlich an den Stoff der Hose Heftet sich die Dornenrose. Das Gartenhaus Das Gartenhaus Liebe – sagt man schön und richtig Ist ein Ding, was äußerst wichtig. Nicht nur zieht man in Betracht, Was man selber damit macht, Nein, man ist in solchen Sachen Auch gespannt, was andre machen. – Allgemein von Mund zu Munde Geht die ahnungsvolle Kunde, Sozusagen ein Gemunkel, Daß im Garten, wenn es dunkel, Julchen Knopp mit Försters Fritze Heimlich wandle oder sitze. – Diese Sage hat vor allen Drei Personen sehr mißfallen, Die sich leider ganz entzweit Durch die Eifersüchtigkeit. Jeder hat sich vorgenommen: Ei, da muß ich hinter kommen. Hier schleicht Sutitt schlau heraus Zu Herrn Knoppens Gartenhaus, Wo das Gartenbaugerät Wohlverwahrt und trocken steht. Husch! Er schlüpft in das Sallett, Denn es naht sich Mickefett. Husch! Der zögert auch nicht viel, Denn es naht sich Klingebiel. Husch! Auch der drückt sich hinein, Denn hier naht im Mondenschein, Wie wohl zu vermuten war, Das bewußte Liebespaar. O wie peinlich muß es sein, Wenn man so als Feind zu drein Engbedrückt zusammensitzt Und vor Zorn im Dunkeln schwitzt! Siehste wohl! Da geht es plötzlich Rumpelpumpel, ganz entsetzlich. Alles Gartenutensil Mischt sich in das Kampfgewühl; Und, rabum! zum Überfluß Löst sich laut der Flintenschuß. Husch! Da schlupfen voller Schreck Fritz und Julchen ins Versteck; Denn schon zeigt sich in der Ferne Vater Knopp mit der Laterne. Knipp, der Hund, kratzt an der Tür. Knopp der denkt: »Was hat er hier?« Starr und staunend bleibt er stehn Mit dem Ruf: »Was muß ich sehn??« Dann mit Fassung in den Zügen Spricht er: »Na, Ihr könnt Euch kriegen!!« Jetzt kommt Mutter, jetzt kommt Tante, Beide schon im Nachtgewande. Oh, das war mal eine schöne Rührende Familienszene!!! – Ende Ende Feierlich, wie sich's gebührt, Ward die Trauung ausgeführt. – Hierbei leitet Klingebiel Festgesang und Orgelspiel Unter leisem Tränenregen, Traurig, doch von Amtes wegen; Während still im Kabinett Sutitt und Herr Mickefett Hinter einer Flasche Wein Ihren Freundschaftsbund erneun. Knopp der hat hienieden nun Eigentlich nichts mehr zu tun. – Er hat seinen Zweck erfüllt. – Runzlich wird sein Lebensbild. – Mütze, Pfeife, Rock und Hose Schrumpfen ein und werden lose, So daß man bedenklich spricht: »Hört mal, Knopp gefällt mir nicht!!« In der Wolke sitzt die schwarze Parze mit der Nasenwarze, Und sie zwickt und schneidet, schnapp!! Knopp sein Lebensbändel ab. Na, jetzt hat er seine Ruh! Ratsch! Man zieht den Vorhang zu.