Pater Filucius Aus dem Titel der Erstauflage von 1872 Höchst erfreulich und belehrend Ist es doch für jedermann, Wenn er allerlei Geschichten Lesen oder hören kann. So zum Beispiel die Geschichte Von dem Gottlieb Michael, Der bis dato sich beholfen So lala als Junggesell. Zwo bejahrte fromme Tanten Lenken seinen Hausbestand; Und Petrine und Pauline Werden diese zwo benannt. Außerdem, muß ich bemerken, Ist noch eine Base da, Hübsch gestaltet, kluggelehrig, Nämlich die Angelika. Wo viel zarte Hände walten – Na, das ist so wie es ist! Kellerschlüssel, Bodenschlüssel Führen leicht zu Zank und Zwist. Ebenso in Kochgeschichten Einigt man sich öfters schwer. Gottlieb könnte lange warten, Wenn Angelika nicht wär. Sie besorgt die Abendsuppe Still und sorgsam und geschwind; Gottlieb zwickt sie in die Backe: »Danke sehr, mein gutes Kind!« Grimmig schauen itzt die Tanten Dieses liebe Mädchen an: »Ei, was muß man da bemerken? Das tut ja wie Frau und Mann!« Dennoch und trotz allediesem Geht die Wirtschaft doch so so. – Aber aber, aber aber Jetzt kommt der Filuzio. Nämlich dieser Jesuiter Merkt schon längst mit Geldbegier Auf den Gottlieb sein Vermögen, Denkend: »Ach, wo krieg ich dir?« Allererst pirscht er sich leise Hinter die Angelika, Die er Äpfelmus bereitend An dem Herde stehen sah. Und er spricht mit Vaterstimme: »Meine Tochter, Gott zum Gruß!« Schlapp! da hat er im Gesichte Einen Schleef voll Appelmus. Dieses plötzliche Ereignis Tut ihm in der Seele leid. – Ach, man will auch hier schon wieder Nicht so wie die Geistlichkeit!! – Doch die gute Tante Trine Sehnt sich ja so lange schon Nach dem Troste einer frommen, Klerikalen Mannsperson. – Da ist eher was zu machen. – Luzi macht sich lieb und wert, Weil er ihr als Angebinde Schrupp, den kleinen Hund, beschert. Schrupp ist wirklich auch possierlich. Er gehorchet auf das Wort, Holt herbei, was ihm befohlen, Wenn es heißet: »Schrupp, apport!« Heißt es: »Liebes Schrupperl, singe!« Fängt er schön zu singen an; Spielt man etwas auf der Flöte, Hupft er, was er hupfen kann. Wenn es heißet: »Wo ist 's Ketzerl?« Wird er wie ein Borstentier; Und vor seinem Knurren eilet Tante Line aus der Tür. Spricht man aber diese Worte: »Schrupp, was tun die schönen Herrn?« Gleich küßt er die Tante Trine, Und sie lacht und hat es gern. Eines nur erzeugt Bedenken. Schrupp entwickelt letzterzeit Mit dem Hinterfuße eine Merkliche Geschäftigkeit. Mancher hat in diesen Dingen Eine glückliche Natur. Tante Trine, zum Exempel, Fühlt von allem keine Spur, Wohingegen Tante Line Keine rechte Ruh genießt, Wenn sie abends, wie gewöhnlich, In der Hauspostille liest. Und auch Gottlieb muß verspüren, Ganz besonders in der Nacht, Daß es hier und da und dorten Immer kribbelkrabbel macht. Prickeln ist zwar auch zuwider, Doch zumeist die Jagderei; Und mit Recht soll man bedenken, Wie dies zu verhindern sei. Mancher liebt das Exmittieren; Und die Sache geht ja auch. Aber sicher und am besten – Knacks! – ist doch der alte Brauch. Freilich ist hier gar kein Ende. Man gelanget nicht zum Ziel. Jeder ruft: »Wie ist es möglich?« Bis man auf den Schrupp verfiel. Zwar die Tante und Filuzi Rufen beide tief gekränkt: »Engelrein ist sein Gefieder!« – Aber Schrupp wird eingezwängt. In ein Faß voll Tobakslauge Tunkt man ihn mit Haut und Haar, Ob er gleich sich heftig sträubte Und durchaus dagegen war. Drauf so wird in einem Stalle Er mit Vorsicht interniert, Bis, was man zu tadeln findet, So allmählich sich verliert. Anderseits bemerkt man dieses Unter großem Herzeleid. Ach, man will auch hier schon wieder Nicht so wie die Geistlichkeit!! Jetzt wär alles gut gewesen, Wäre Schrupp kein Bösewicht. – Er gewöhnt sich an das Kauen, Und das läßt und läßt er nicht. Hat er Gottlieb seine Stiefel Nicht zur Hälfte aufgezehrt? Tante Linens Hauspostille, Hat er die nicht auch zerstört? Zwar die Tante und Filuzi Blicken mitleidsvoll empor: »Armes gutes Schruppuppupperl! Immer haben sie was vor!!« Ja, es ließe sich ertragen, Täte Schrupp nur dieses bloß; Würde Schrupp nicht augenscheinlich Scham- und ruch- und rücksichtslos. Und so muß er denn empfinden, Daß zuletzt die böse Tat Für den Übeltäter selber Unbequeme Folgen hat. Anderseits bemerkt man dieses Nur mit tiefem Herzeleid. Ach, man will auch hier schon wieder Nicht so wie die Geistlichkeit! Leichter schmiegt sich Seel an Seele In der schmerzensreichen Stund, Und man schwört in der Bergère Sich den ew'gen Freundschaftsbund. Aber wie sie da so sitzen, Öffnet plötzlich sich die Tür. Gottlieb ruft mit rauher Stimme: »Ei ei ei, was macht man hier?« Freilich hüllen sich die beiden Schnell in fromme Lieder ein; Doch nur kurze Zeit erschallen Diese schönen Melodein. Ach, die weltlichen Gewalten! – Durch des Armes Muskelkraft Wird der fromme Pater Luzi Wirbelartig fortgeschafft. Dieses plötzliche Ereignis Tut ihm in der Seele leid. Ach, man will auch hier schon wieder Nicht so wie die Geistlichkeit!! Schlimm ist's Schrupp dabei ergangen, Weil er sich hineingemengt; Mit dem Fuße unvermutet Fühlt er sich zurückgedrängt. Pater Luzi aber schleichet Heimlich lauschend um das Haus. Ein pechschwarzes Ei der Rache Brütet seine Seele aus. Gottlieb seine Abendsuppe Stehet am gewohnten Ort. – Husch! da steigt wer durch das Fenster; Husch! jetzt ist er wieder fort. Gottlieb, der im Nebenzimmer Eben seine Hände wusch, Sieht's zum Glück und daß der Täter Lauschend sitzt im Fliederbusch. Jetzt hebt Gottlieb, friedlich lächelnd, Von dem Tisch den Suppentopf. Bratsch! – Die Brühe samt der Schale Kommt Filuzi auf den Kopf. Diese eklige Geschichte Tut ihm in der Seele leid. Ach, man will auch hier schon wieder Nicht so wie die Geistlichkeit! Schrupp, der nur ein wenig leckte, Zieht es alle Glieder krumm; Denn ein namenloser Jammer Wühlt in seinem Leib herum. Pater Luzi, finster blickend, Heimlich schleichend um das Haus, Wählt zu neuem Rachezwecke Zwo verwogne Lumpen aus. – Einer heißt der Inter-Nazi Und der zweite Jean Lecaq, Alle beide wohl zu brauchen, Denn es mangelt Geld im Sack. Eben wandelt in der stillen Abendkühle der Natur Base Gelika im Garten – Horch! Da tönt der Racheschwur! Tieferschrocken, angstbeflügelt Eilet sie ins Haus geschwind. Gottlieb küßt sie auf die Backe: »Danke sehr, mein gutes Kind!« Schleunig sucht er seine Freunde, Glücklich trifft er sie zu Haus. Wächter Hiebel ist der erste, Freudig ruft er: »Sabel raus!« Meister Fibel, als der zweite, Vielerprobt im Amt der Lehr, Greift in die bekannte Ecke Mit den Worten: »Knüppel her!« Bullerstiebel ist der dritte. – Kaum vernimmt er so und so, Faßt er auch schon nach der Gabel Mit dem Rufe: »Nu man to!« Nun hat Schrupp, dieweil er leidend, Sich in Gottliebs Bett gelegt, Wie er, wenn man nicht zugegen, Auch wohl sonst zu tuen pflegt. Zwölfe dröhnt es auf dem Turme. – Leise macht man: Pistpistpist! Drei Gestalten huschen näher An das Bett voll Hinterlist. Weh, jetzt trifft der Dolch, der spitze, Und der Knüppel, dick und rauh, Und die Taschenmitraljöse – Aber Schrupp macht: »Auwauwau!« In demselbigten Momente Donnert es von hinten: »Drauf!!« Und ein blasser Todesschrecken Hindert jeden Weiterlauf. Pater Luzi ganz besonders Macht sich ahnungsvoll bereit. Ach, man will auch hier schon wieder Nicht so wie die Geistlichkeit!! Hei! Wie Fibels Waffe sauset! Heißa! Wie der Sabel blitzt! – Zwiefach ist der Stich der Gabel, Weil sie zwiefach zugespitzt. – Motten fliegen, Haare sausen; Das gibt Leben in das Haus. Hulterpulter! Durch das Fenster Springt man in die Nacht hinaus. Klacks! da stecken sie im Drecke. Ängstlich zappelt noch der Fuß. – Eine Stimme hört man klagen: »Oh, Filu – Filucius!!« – »Kinder, das hat gut gegangen!« Rufet Gottlieb hocherfreut; »Wein herbei! Denn zu vermelden Hab ich eine Neuigkeit. Länger will ich nicht mehr hausen Wie seither als Junggesell. Hier Angelika, die gute, Werde Madam Michael.« Drauf ergreift das Wort Herr Fibel, Und er spricht: »Eiei! Sieh da! Ich erlaube mir zu singen: Vivat Hoch! Halleluja!!!«