1051. An Nanda Keßler 1051. An Nanda Keßler Wiedensahl 14. Dec. 95. Meine liebe Nanda! Ich möchte dir danken für den nüdlichen Brief, woraus ich zu meiner Freud ersehe, daß du munter bist und wohl auf – auf dem Roß sogar, einem leibhaftigen Roß. Da hätt ich wohl gern mit zugeguckt, wie Hudi und Nelly. Daß du dich geschickt dabei benommen, davon wär ich sowieso überzeugt gewesen, auch ohne die lobende Anerkennung des Herrn Bereiters, von dem man doch vielleicht annehmen darf, daß er galant genug ist, schönen Damen hie und da mit Vorliebe grad das zu sagen, was sie gern hören mögen. Also im nächsten Frühjahr, falls ich nicht verhindert bin zu kommen, hoff ich das Vergnügen zu haben, dich in tadelloser Haltung und geschmackvoll bekleidet an mir vorbei sausen zu sehn auf deinem Rößlein mit einer Sicherheit, die jede Besorgniß ausschließt, du könntest herunter fallen. Weniger versprech ich mir von der Strampelreiterei auf dem Rad. Ich tröste mich indeß mit der freudigen Ahnung: am Ende wird doch nichts aus dieser Geschichte. – Nun ja!! – Neulich war's wirklich sehr angenehm bei Euch. Das versteht man in der Wiesenau. Ich denk noch gern dran zurück. – Nach dem Regen, Blitz, Donner und Sturm letzthin haben wir jetzt hier Schlackerschnee, der die Dächer, Bäume und Zäune nur flüchtig bedeckt. Darüber spannt sich die Luft, wie graues Segeltuch. Ein geeignetes Wetter, um Grillen zu fangen. – Sei herzlich gegrüßt, liebe Nanda, und grüß mir auch die Kinnercher und die lieben Leut in N o 1. von deinem getreuen Onkel Wilhelm. Die Kritzer auf dem Hudi seiner Stirn sind jetzt weg, nehme ich an. Das war damals recht ungeschickt von dem soeben genannten Onkel.