443. Der Borwall bei Zarrentin.

Etwa eine Stunde von dem Flecken Zarrentin, hart an der lauenburgischen Grenze, steht auf einem etwas erhöhten Platze ein kleines Buchengehölz, das die Leute der dortigen Gegend Borwall 1 nennen. Von allen Seiten ist dieses Gehölz von Wiesen umgeben, so daß es einer Insel in einem großen See gleicht. Von diesem Borwall erzählen die alten Leute in den Dörfern der Umgegend folgende Sage.

Vor vielen, vielen Jahren war auf dem Borwall eine feste Burg. Um dieselbe war ein tiefer Wassergraben und Niemand konnte anders in die Burg kommen, als über die niedergelassene Zugbrücke. Die Burgbewohner waren aber räuberische Gesellen, die am Tage sich wenig sehen ließen, das Nachts aber über die Brücke durch den nahen Wald die Landstraße nach Lübeck zu ritten. An dieser Straße [328] hatten sie ein Versteck, von wo aus sie die Straße überwachen konnten. Besonders hatten sie es auf die Wagenladungen der Lübecker Kaufleute abgesehen. Die Fuhrleute wurden umgebracht und mit den geraubten Waaren kehrten sie am Morgen in ihre Burg zurück. Dieses Handwerk trieben sie lange Zeit und hatten dadurch große Reichthümer zusammengebracht. Alles in der Burg war auf das schönste und kostbarste eingerichtet und bei den Festmahlen aß man nur aus silbernen Schüsseln. Viele Jahre hatten die Raubritter hier auf der Burg ihr Wesen. Damit die Spur der Pferde diesen Ort nicht verrathe, hatten sie denselben die Hufeisen verkehrt aufgelegt, so daß Niemand wußte, woher sie gekommen waren. Doch endlich hatte auch ihre Stunde geschlagen. Die Lübecker zogen mit einer bewaffneten Schaar aus, durchstreiften die Gegend und fanden auch dieses Räubernest. Die Burg wurde gänzlich niedergerissen und die Bewohner derselben getödtet. Die vielen goldenen und silbernen Geräthe, unter denen sich auch eine goldene Wiege befand, blieben unter den Trümmern begraben.

Von einem Seminaristen in Neukloster.

Fußnoten

1 d.h. Borgwall, Burgwall.

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