[493] 11. Papst Ochse.

Ein Bauer hatte einen Ochsen, ein gar schönes und kluges Thier. Er und seine Frau hatten ihn so lieb und hielten so viel von ihm, daß sie beschlossen, ihn studiren zu lassen. Der Bauer ging zum Kaufmann in die Stadt, ihn um seinen Rath zu fragen. Der erklärte sich ganz damit einverstanden, indem er im Stillen dachte, von der Dummheit des Bauern seinen Vortheil zu ziehen. Er schlug ihm seinen Freund, den Advocaten, vor, der werde den Ochsen lehren. Der Kaufmann ging, als der Bauer sich einverstanden erklärte, zum Advocaten hin, sie verabredeten, sich 200 Thaler zahlen zu lassen, die wollten sie theilen, und ebenso den Ochsen, den sie schlachten wollten. Der Kaufmann kehrte zum Bauern zurück und theilte ihm die Bedingungen mit. Der Bauer war hocherfreut, und seine Frau nicht minder, die ihn trieb, den Ochsen so bald als möglich zum Advocaten zu bringen. Am andern Tage führte er den Ochsen zum Advocaten, der ihn aus einem zinnernen Gefäß Hafer fressen ließ, was dem Bauern sehr wohl gefiel. ›So, min leiw Össing,‹ sagte er, ›dit schal di bęter bikamen as dat Hak'nschub'n.‹ Damit zahlte er seine 200 Thaler und ließ sich nur noch versprechen, daß der Advocat den Ochsen nicht grob behandeln wolle. Kaum war er fort, als der Advocat den Kaufmann benachrichtigte; sie theilten das Geld, schlachteten den Ochsen und lachten herzlich über den dummen Bauern.

Nach einiger Zeit ging der Bauer zum Advocaten und fragte, ob er seinen Ochsen nicht mal sehen könne. Nein, das ginge nicht, das würde den Ochsen zu sehr stören; doch versicherte er ihm, daß er gute Fortschritte mache. Wie der Bauer zum zweiten- und drittenmale kam, half er sich mit derselben Ausrede. Endlich, da er besorgte, der Bauer möchte Verdacht schöpfen, sagte er ihm, sein Ochse sei Papst in Rom geworden. Darüber verwunderte der Bauer sich höchlich und fragte, wie weit es nach Rom sei. Ja, da müsse er ein ganzes Jahr reisen. Der Bauer aber sagte, wenn's auch noch weiter wäre, so wolle er doch hin. Er ging nach Hause und theilte seiner Frau seinen Plan mit, ihren Ochsen aus Rom zu holen. Am andern [494] Morgen nahm er einen Strick, wickelte ihn um den Leib und machte sich auf die Reise nach Rom, das er dann auch nach langer Zeit erreichte. Er erkundigte sich gleich nach der Wohnung des Papstes. Man zeigte ihm einen schönen Palast, und als er ihn ansah, freute er sich über seines Ochsen Glück. Er ging stracks nach dem Palast und wollte hinein, aber eine Wache versperrte ihm den Weg. Der Bauer sagte ›Na wis 'n mi man, wur is hei? Ik will 'n mit nęm'n, un Mauder schal 'n ok seihn.‹ Die Wache glaubte nicht anders, da er so wild aussah – er hatte sich auf der ganzen Reise nicht gekämmt und gewaschen – und vom Mitnehmen sprach, als daß er der Teufel wäre und ließ ihn ein. Der Bauer ging in die Stube des Papstes, wo er seinen vermeintlichen Ochsen schreiben sah. ›Herrje, rief er, 'min leiw Össing, wur krigt 'n di eins wedder tau seihn?‹ Indem er herantrat und ihn streichelte, wickelte er unbemerkt den Strick vom Leibe, that ihn ihm um den Hals und sagte ›Na, nu kumm man mit, min leiw Össing, Mauder schal di ok seihn‹, und zerrte ihn durch die Stube. Der Papst war sprachlos vor Entsetzen, auch er glaubte, daß der Teufel ihn hole.

Inzwischen hatte die Wache Lärm gemacht, die Leute kamen zusammengelaufen und erschraken, als sie den Bauern mit dem Papste kommen sahen. Nur ein Par hatten den Muth, den Teufel zu bitten, er möge ihren Papst freilassen. ›Ne, mit möt hei, un Mauder schal 'n ok seihn.‹ Da boten sie ihm viel Geld, und immer mehr Geld, bis er ihn endlich freigab. Nun fragte er, was der Papst denn eigentlich zu thun habe, und erhielt zur Antwort, daß er über alle Könige, Fürsten und Prediger befehle. Das freute den alten Bauern, daß sein Ochse eine so hohe Anstellung hatte; er ließ sich von den Leuten das Versprechen geben, daß sie seinem Ochsen nichts zu Leide thun wollten und machte sich auf die Rückreise. Zu Hause erzählte er seiner Frau von den hohen Ehren, wies ihr das Geld, das sie ihm gegeben, und sagte ihr, daß die Leute ihn dort so sehr lieb hätten, daß sie ihn gar nicht wieder fortlassen wollten. Die Alte freute sich nicht minder und Beide prahlten noch lange mit ihrem klugen Ochsen.

Ein Seminarist aus der Gegend von Crivitz.

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