[923] [927]1005.
Mel. 68.
1. Der weisheit spiel ist denen unerkentlich, die in vernunft und hohem sinne stehn; denn wenn wir uns in eigner wahl vergehn, da finden sich die scrupel fast unendlich: der ofne weg bleibt immer zugedekt, und was sonst klar, ist nur vor uns verdekt.
2. Ein kind des lichts, das in der einfalt wandelt, (denn diese ists, die uns das Licht verschaft, und bringt in uns die wahre geisteskraft, durch welche man gerad und richtig handelt,) begreift der weisheit tiefe wege wohl, und merket, was es thun und lassen sol.
[927] 3. Es kränkt sich nicht und häufet keine sorgen um das, was etwan hie und da geschicht; es findt den zwek: es ist ihm alles licht, es bleibt ihm nichts verschlossen und verborgen; und nimt man gleich erstaunen in sich wahr, so bleibet doch des geistes auge klar.
4. Wie (denkt das herz) sol ich mich gnungsam beugen um alles, was mir Jesus kund gethan? er rürete mir meine lippen an; ich muß, ich wil, von lauter treue zeugen; und weil ich weiß, was bey der einfalt brauch: o, wüstens doch die brüder alle auch!
5. So bricht man aus, und ist nicht aufzuhalten; wir zeigen jederman die wege an, auf welchen man so sicher gehen kan, wenn man nur läst die weisheit völlig walten: ich weiß, wie gut es ist, ein kindlein seyn; man wikelt uns ganz in die gnade ein.
6. Wir mühen uns, die sachen zu begreifen, und fassen es so wenig als ein kind, wie in der welt noch kluge leute sind, die sich auf ihre klugheit mögen steiffen: denn uns wird dieser sin der einfaltsspur durch JESU licht almälig zur natur.
7. Man weis sonst nichts als vom gehorsambleiben, und geht dem wort und denn der salbung nach; man kennet auch derselben leise sprach; und wo die beide pflegen hin zu treiben, da gehet man mit grosser freudigkeit, und machet sich auf allerley bereit.
8. Wie selig ist ein solches herz zu nennen, das als ein pfeil sich läst der weisen hand, die es gewiß schon also hat gewandt, um in den punct des ziels hinein zu rennen: es kan getrost, vergnügt und freudig seyn, und komt ihm niemals einger zweifel ein!
9. Du weist, du Lam, daß alle unsre sinnen auf dieses ziel und zwek gerichtet seyn; wir sehn davon den wahren nuzen ein; und das verbleibt das einzige beginnen, wie wir uns ganz in einfalt geben hin; was die natur verliert, ist uns gewin.
10. Es sind gewis nicht algemeine wege, die uns bisher die weisheit hieß durchgehn; und wo der fuß am meisten pflegt zu stehn, das heissen öfters rauh und schmale stege; bald sehen wir ja [928] einen hellen schein; bald ziehet sich die son in wolken ein.
11. Dem ohngeacht muß man dabey bekennen, wir wissen doch von nichts als gnad und huld, von übersehen, tragen, und gedult; das schwerste, das man etwa könte nennen, dasselbe gleichet sich bey weitem nicht der kleinsten treu des Herrn, die uns geschicht.
12. Drum lassen wir uns seiner liebesleitung, und gehen in derselben treulich fort; sie bringt gewißlich an den rechten ort: ein jeder sieht wie er zur wegbereitung, vor das verklärte Lam am besten dien'; in seinem joch kan man wol lasten ziehn.
13. Gemeine Gottes, laß dir etwas sagen: viel glük zuvor! zur kreuzesritterschaft! das bundesblut sey deine einge kraft! du hast das kreuz des Herrn bisher getragen, geh als ein einger mann und glaubensheld, bleib kindlich klein, und übersieh die welt.
14. Der Heiland wird dich noch aus gnaden brauchen zum werkzeug seiner ehr und herrlichkeit: wie manches glied wird noch zur arbeitszeit vor ihn von streiterschweis und eifer rauchen! und weil das äusre haus dabey muß seyn, so läst er es gewis zugleich gedei'n.
15. Immanuel! sprich doch zu allen Amen! und thu nach deiner art noch mehr hinzu; erfreu uns mit dir selbst in jedem Nu: es bleibt der preis doch deinem grossen namen; nim, du verklärter fürst, dein ganzes haus, und mache dir nur Eine seele draus!