[60] Als Sie zum letztenmahle an Ihn schrieb

Ich soll zum letzten mahl an dich, Geliebter, schreiben,
Die Hand ist gantz verstarrt, ich kan vor Schmertz nicht bleiben,
Die Dinte will nicht so, wie meine Thränen, fließen,
Die sich den Ströhmen gleich mit auf das Blatt ergießen.
Des Schicksals Grausamkeit will, daß ich dich soll missen,
Und nun an deiner Statt den leeren Schatten küssen,
Mein höchstbeklemmtes Hertz sucht Rath und Trost zu finden,
Und trifft doch keinen an; mein Fuß durchstreicht die Linden,
Kein Donner rührt so hart die allerstärcksten Bäume,
Ich weiß wahrhafftig nicht, ob ich schon wachend träume.
Kein Sturm kan wohl so starck auf Fluth und Wellen rasen,
Und bey des Aeols Wuth auf Schiffe brausend blasen,
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Kein Blitz, kein schneller Pfeil, fliegt, schwör ich, so behende,
Als ich mich ängstiglich bald da, bald dorthin wende.
Mein gantzer Mensche scheint entseelet und betrübet,
Weil deine Cynthia nichts über dich geliebet,
Sie weiß bey den Verlust sich, Schönster, nicht zu fassen,
Ich soll, bedenck es selbst, dich lieben und doch lassen.
Doch ja! ich liebe dich, so lange Blut und Leben
Noch in den Adern ist, verbleibt es dir ergeben.
Sucht das Verhängniß uns vor dießmahl gleich zu trennen,
Will ich doch biß in Tod dein Eigenthum mich nennen.
Mich soll kein frembder Strahl auch in Entfernung blenden,
Mein Auge wird sich stets von andern Cörpern wenden.
Wenn ein Narcissus mir die Schlinge wolte legen,
So wird sich doch bey mir kein Trieb noch Neigung regen.
Raubt gleich ein harter Schluß durch dich mir mein Vergnügen,
So will ich durch Gedult den Unstern doch besiegen.
Dein Bild bleibt unterdeß in meiner Brust gepräget,
So lange, biß man mich in Sand und Erde leget,
Und solt ich vor der Zeit in Grufft und Bogen reisen,
Wird Asch und Moder doch in dich verliebt noch heissen.

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