[84] Das Dritte Lied

Tugendreich die kleine Welt

Nach der Melodey: Daß mein Gemüth in Angst und Sorgen schwebet.

1.
Du gleubst nicht/ daß du seyst der Welt zu gleichen/
O Allerschönste Tugendreich/
Ich sage noch/ daß Sie für Dier muß weichen/
Du bist ihr warlich mehr als gleich/
Ja die Zier der keuschen Jugend
Gehet Ihrem Schmucke vor/
Deine mehr als Himmels-Tugend
Blickt vor aller Zier empor.
2.
Der Himmel deiner Stirn' an welchem blicken
Zwo schöne Liechter voller Zier/
Die sich bey später Nacht zum Abzug schicken
und früh zum Auffzug mit Begier;
Diese seyn ja mehr als Sonne/
Mehr auch als des Mondes Licht/
Man empfindt mehr Freud und Wonne/
Wann ihr schöner Straal anbricht.
[85] 3.
Der blancke Sternen-Fürst macht alles helle/
Vertreibt die schwartze Fünsternüß;
Dein Aug' ist eben auch des Lichtes Quelle/
So mein Gemüth erleuchten muß;
Wann dein Auge straalt und funckelt/
Winckt und blincket her zu mir/
Wird der Deine nie verdunckelt/
Wann die Nacht gleich bricht herfür.
4.
Der Himmel ist offt trüb' und gibt uns Regen/
Deckt seine schöne Liechter zu/
Die gleichsam auch verhüllt zu trauren pflegen;
Die Eigenschafften hast auch du.
Lachest offt und sihst offt trübe/
Regnest Thränen ohne Zahl/
Wann dich teuscht die schnöde Liebe/
und verhüllst den Sternen-Saal.
5.
Der schönsten Blumen Zier so bey den Flüssen
und bey den frischen Brunnen stehn/
Die kan dein Angesicht nicht einmal missen/
Mann siht sie täglich frisch auffgehn:
Liljen zieren deine Wangen/
Tausendschönen mischen sich/
Wo die keuschen Rosen hangen
und erfreuen dich und mich.
[86] 6.
Des Hertzens Vorhoff ist schön ausgesetzet/
mit theuren Perlen und Rubien
Du kanst auff deiner Brust/ die manchen letzet/
Narcissen-Rößlein hübsch erzihn.
Kürtzlich: Alle Gärte weichen
Deiner schönen Backen-Zier;
alle Blumen müssen bleichen/
Wann dein Mund nur blickt herfür.
7.
Diß ist von aussen nur/ was ist wohl drinnen?
Was euserlich/ das lob ich hier/
Das ander ist zu hoch für meine Sinnen/
und übertrifft der Reden Zier.
Deiner hohen Tugend Flammen/
Schönste/ deine große Zier/
Deine Zucht und Du zusammen
Haben mich verbunden Dier.
8.
Wer kan nun/ Tugendreich/ dich hassen/
Weil dich der Himmel so geziert/
Die Welt dein Ebenbild kan ja nicht fassen
Das hohe Lob/ das dier gebührt;
Deine keusche Zucht und Tugend
gehet dieser allzeit für/
Nur die Schönheit deiner Jugend
Gleicht sich etwas ihrer Zier.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek