[179] Das Dritte Lied

Auff das Adliche Zimmer der Poeten und Poetinnen.

1.
Was strahlet/ was pralet/ was blitzen vor Spitzen/
In diesem vorträfflichen Zimmer allhier?
Was? sollen Poeten so sitzen und blitzen?
So gläntzen mit Kräntzen der ewigen Zier?
Ja freylich Poeten
Die können dich tödten/
Du wüthender Neid:
Sie können dich zwingen
Durch schreiben und singen;
Sie bleiben/ du schwindest im flühen der Zeit.
2.
Unsterblich und ewig bekleibet und bleibet
Ihr Nahme/ der unter den Sternen bekant;
Ihr liebliches singen die Stunden vertreibet/
Verjaget die länge der Tage zu hand.
Die Helden seyn nichtig/
Ihr' Ehre gar flüchtig/
Ihr Nahm vergeht:
Kann aber was tödten
Die Edlen Poeten?
Ihr träfflicher Adel und Nahme besteht.
[180] 3.
Homerus ist längsten in Asche verkehret/
Doch lebet sein Nahme/ sein Ehrenlob grünt;
Sein' Ehre wird täglich in Schrifften vermehret/
Das seinem Beruffe zur Ewigkeit dient.
Virgilius lebet/
Ovidius schwebet
Noch immer allhier;
Hesiodus bleibet/
So lange mann schreibet/
So lange die Sonne wird blicken herfür.
4.
Der Edele Sophocles/ Flaccus ingleichen/
Mit denen wir reden und schertzen noch itzt/
Die werden auff Erden mit nichten verbleichen/
So lange die Sonne noch flammet und hitzt.
Ihr Nahme nicht stirbet/
Wenn alles verdirbet/
Wenn alles vergeht:
Dann alles ist flüchtig
und alles ist nichtig/
Nur dieses der edelen Sänger besteht.
5.
Die färtige Sappho nach ihrem Absterben/
Die lebet jedennoch und schwebet im flor/
Ihr' eigen-erfundene Lieder erwerben
Ein ewig-Gedächtnüß und steigen empor.
Museus hatt schone
Die ewige Krohne/
Aratus auch prangt;
Der schnöde Catullus
Menander/ Tibullus/
Die haben das ewige Bleiben erlangt.
[181] 6.
Ein ander mag lauffen nach irrdischen Sachen/
Die alle vergehen/ nach Silber und Gold;
Wir wollen viel lieber das alles verlachen
Wann Fürsten und Herren uns günstig und hold.
Die Schätze vergehen/
Poeten bestehen:
Ich nehme die Zier:
und muß ich gleich sterben/
im Grabe verderben/
So bleibet mein Nahme doch immer allhier.

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