Weimar, den 20. September 1787
»Wie können Verse mit Acten sich vertragen?«
So hörten am Fuße des grinsenden Marsyas schon
die Musen ihren Lieblingssohn,
den Lehrer der schönen Kunst, die Mädchen zu fangen, klagen;
so klagte am Arno der Sänger der schönen Angelica schon,
so klagten Marino und Tasso – und, nichts von andern zu sagen,
ich selbst, in meinen bessern Tagen,
wie oft, wenn ich, wie sanft! in Musenarmen schlief,
und plötzlich aus den lieblichsten Gesichten
das heisre Glöckchen mich zur Ratsversammlung rief,
um zwischen Trax und Stax zu schlichten und zu richten,
wie oft, wenn ich bis an die Ohren tief
in muffigten Papieren steckte
und was ich suchte, mich oft halbe Tage neckte
und wenn es mir schon in die Hände lief,
wie Maros Galathee, flugs wieder sich versteckte:
wie oft betäubt ich da mit diesem Klageton
der holden Musen zarte Ohren?
Und dennoch wurden mir, dem Bartelus zum Hohn,
in jenen Tagen Agathon,
Musarion, Endymion,
der neue Amadis und Idris selbst geboren;
verstohlner Weis erzeugt, und falls mich etwa nicht
ein zärtlich Vorurteil zu ihrer Gunst besticht,
nur desto glücklicher geboren!
und eben weil Mama Natur
zu ihrer süßen Zeugung nur
die Augenblicke bald Auroren,
bald später Nacht, und o! wie manchesmal
den lieben goldenen
Marientagen 1 stahl,
um so viel glücklicher geboren!
[67]O Du, den gleich, wie Du den Tag erblickt,
der Musen lieblichste an ihre Brust gedrückt,
laß, edler Freund und Zögling der Camönen,
mein Beispiel mit den Acten Dich versöhnen!
laß ungehascht der Stunden Keine fliehn,
wenn Themis – wie bei uns sich Frau Schicane nennet –
Dir freie Atemzüge gönnet,
und wenn ein Genius, Faun oder Amorin,
Dich in die heilgen Schatten ladet,
wo sich die Grazie im Aganippe badet.