[188] Die einundzwanzigste Fabel.
Vom Wolf und Fuchse.

Der wolf und fuchs beinander warn
Und redten vil von alten jarn.
Der wolf sprach: »Hab vil lemmer bißen,
Vil kelber, kü und schaf zerrißen;
Wie ich die gens pflag heim zu treiben,
Ein buch solt man davon wol schreiben.«
Das gschahe im wald, auf grünem platz;
Bald hub sich hinder in ein hatz
Von hunden, die nah bei in warn.
Da blies der jäger in sein horn
Und gunt die hund weidlich zu hetzen,
Daß sie ans beide solten setzen.
Da sprach der fuchs: »Auf und davon!
Es ist auf uns all beid geton.«
Der wolf sprach: »Hab noch vil zu sagen.
Sag, wohin wölln wir uns vertagen,
Wenn wir sein disem strauß entgangen?«
Er sprach: »Beim kürsner auf der stangen.«
Wer in der jugent nit anderst gelert,
Denn daß er sich des stegreifs nert,
Der hat sich des gwiß zu vermuten,
Daß er zuletzt dafür muß bluten.
Ja, wenns gleich eben lang anstet,
Der krug vil jar zum waßer get,
Komt oft wider, wenns wol tut glücken;
Aufs letst get er endlich zu stücken.
Man sagt, ein dieb sei nirgend baß,
Wenn man wil, daß ers stelen laß,
Denn am galgen, da hats kein gfer;
Bin bürg dafür, er tuts nit mer.
Dasselb ist auch ir letst gericht,
Sonst laßens von gewonheit nicht;
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Wiewol sie im ganz oft entgan,
Aufs letst wils doch der galgen han.
Der fuchs ist gscheit und listig gnug,
Doch hilft endlich nit sein betrug:
Er wird zuletzt dennoch geschlagen
Und underm arm zur kirchen tragen;
Und bei dem kürsner auf der stangen
Werdens zusamen aufgehangen.
Da komen zobeln, mardern, lüchs,
Wolf, otter, biber, iltis, füchs,
Werk, hermlen, latsen, vilfraß, bern
Und laßen sich irn meister lern.
Empfehl den lon nach seiner tat
Ein jeder, wie er gearbeit hat.

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