Die siebenundzwanzigste Fabel.
Von der Eulen und andern Vögeln.

Für zeiten, in den alten jaren,
Vögel und tier verstendig waren
Und teglich mit einander redten,
Ir gsprech und rat zusamen hetten,
Gleich wie die fisch zu unsern zeiten
Pflegen zu reden mit den leuten.
Ein jedes tier nach seiner art
Zu jedem ampt bestellet ward:
Der löw war aller tier ein herr,
Sein nehster rat ein alter der;
Die großen ross die feind bekriegten,
Und die ochsen den acker pflügten;
Die windhunde waren jäger,
Der hase war ein briefträger,
Der hirsch war schultheiß, saß das recht,
Und die geiß war ein schneiderknecht;
Der wolf der schaf tet fleißig warten,
Der bertig bock versahe den garten,
Die sau tet in der küchen naschen,
Der half die katz die schüssel waschen;
Ein glockengießer war der käfer,
Und der igel ein leinweber,
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Des königs kürschner war der luchs,
Ein glerter doctor Reinhart fuchs;
Der aff tet für dem könig springen,
Der esel must die metten singen,
Die septem horas, für mittage
Darnach die seck zur mülen tragen;
Der biber must die bäum abhauen,
Dem half der specht die heuser bauen;
Der sperber tet die wend bekelken,
Ein junges kalb die ku must melken;
Der kammermeister war der pfau,
Zu tisch dienet die truschel grau,
Zum fischmeister war bestellt der reiher,
Die haushenn trug zu hof die eier;
Die gans versahe das trinkgefäß,
Der kranch war des königs truckseß,
Der haushan hielt des nachts die wacht,
Der canzlei het der häher acht;
Mit singen tet sich dnachtigall regen,
Der widhopf must das scheißhaus fegen,
Der spanier wart die kammern immer,
Die vögel dienten im frauenzimmer,
Die kleinen vögel mit tanzen, springen,
Mit jubiliern und discant singen.
Darunder war ein growe eule,
Tet nit wie jetzt des nachtes heulen:
Mit den vögeln des tages flohe,
Mit guter ler zum besten zohe,
Und tet sie gute sitten leren,
Daß sie ir vile möcht bekeren.
Des warn die vögel alle fro,
Und sprachen zu der eulen so,
Sie solt nit mer in löchern liegen,
Sondern mit in zu felde fliegen,
Zu feld und in den grünen walt.
»Da sten die bäum gar manichfalt,
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Schön grün, daß du dich möchtest wundern,
Da mag ein jeder in besundern
Ein baum auskiesen für das best,
Darauf er machen mag ein nest«,
Und zeigten ir ein junge eichen,
Sprachen: »Du kanst sie wol erreichen.
Weil du bist weis und klug von sinnen,
Wölln wir dirs für eim andern günnen.
Zwischen dem laub und grünen ästen
Magstu mit fried und freuden nesten,
Des sommers han ein frölich leben.«
Die eule tet zu antwort geben,
Sprach: »Auf die eiche wil ich nit bauen
Oder mich eim solchen baum vertrauen,
Wiewol er lüstig bletter hat.
Ich wil euch geben ein andern rat:
Wo ir demselben baum werdt glauben,
So wird er euch eur leben rauben.
Jetzt ist er glat; wenn er wird alt,
So gwint er gar ein ander gstalt:
Denn wird er rauch, bewächst mit mas.
Wenn der weidman wird merken das,
So besteckt er in mit leimruten:
Dafür wißt ir euch nit zu hüten,
Daß er euch nach einander zwackt
Und mit euch seinen schweidler sackt.
Drumb folget und fliegent mir nach:
Habt in den löchern eur gemach;
Da mögt einander wonen bei
Und seid auch für dem sperber frei.«
Solch warnung gieng in nit ins herz,
Lachtens und hettens iren scherz:
Der eulen rat verachtet wart
Von solcher leichtfertigen art.
Da wart der eulen prophecei
Ganz war, und brachts die zeit herbei:
Der vogler fieng die vögel all,
Wo einer in dem wald erschall,
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Mit leimruten und mit dem garn,
Davor sich wüsten nit zu warn.
Zu letst hettens gern beßer gsehen,
Da in der schade war geschehen,
Und dachten an der eulen rat,
Die in solchs vor geweissagt hat.
Derhalben es noch teglich kümt,
Wie man aus erfarnheit vornimt,
Wo ein eul sitzt auf einem dach,
Da fliegen ir all vögel nach,
Tun sie mit haufen umberingen,
Wölln sich all nahend zu ir dringen,
Auf daß sie mögen etwas hörn
Und von der eulen weisheit lern.
Drumb tun sie ringes umbegeben,
Ja oft mit far irs eigen leben.
Es hilft aber nit, es ist zu spat.
Ich glaub nit, daß ein eul jetzt hat
Solch weisheit wie in alten jaren,
Da die vögel verstendig waren;
Jetzt sind vil, die wie euln her fliegen,
Des tages in den ritzen liegen,
Han federn wie die euln gestalt.
Ichs aber zwar dafür nicht halt,
Daß solch verstand bei inen leit
Wie bei den eulen zu jener zeit,
Wie man bei irm gesang jetzt hört
Und solchs teglich erfarnheit lert.
Hie wird veracht der eulen rat,
Den sie zum besten geben hat.
So gets auch zu bei unsern zeiten:
Was graten wird von gringen leuten,
Wird von den klüglingen verworfen;
Doch kömts zuletst, wenn sie sein dorfen,
Denn ists zu spat, so komt der reuel,
Beißt sie und macht in solchen greuel,
Daß sie schreien awe und ach,
Und wöllen raten hindennach.
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Der rat, welch nach der tat geschicht,
Der ist so nütz, wie ich bericht,
Als der regen, der stüpfel rürt,
Wenn man das korn hat eingefürt.

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