Crede mihi, res severa est verum Gaudium.
Seneca.
Crede mihi, res severa est verum Gaudium.
Seneca.
Es ist zu vermuthen, daß vielen, die den Titel dieser Schrift lesen, die berühmte Ars semper gaudendi desSarasa einfallen werde. Vielleicht hoffen einige, in diesen Bogen eine poetische Uebersetzung des prosaischen Werkes zu finden. Sie werden beym Durchlesen bald finden, daß sie sich betrogen haben. Die Aehnlichkeit des Titels und [215] der Hauptabsicht hindert nicht, daß nicht beyde Schriften, ihrem Plan und dessen Ausführung nach, sehr unterschieden seyn sollten. Der gelehrte Spanier macht zu seinem Hauptgeschäfte, die Trostgründe der Weisheit, für alle Arten der Widerwärtigkeiten, weitläuftig vorzutragen. Dieses wichtige Stück einer Kunst stets fröhlich zu seyn ist doch nicht das einzige. Ich habe es in der andern Hälfte des dritten Briefes abgehandelt, und mich dabey des Sarasa, wo er als ein Weltweiser redet, bedienet, weil ich den theologischen Theil seines Buches zu meinem vierten Briefe nicht brauchen können. Ich habe aber geglaubt, daß, wenn ich meiner Absicht ein vollkommenes Genügen leisten wollte, ich weiter gehen, und zuerst die wahre Freude bestimmen, alsdann die reinen Quellen derselben bekannt machen, und hernach erst die Hindernisse des glückseligen Zustandes eines dauerhaften Vergnügens aus dem Wege räumen müßte. Ich überlasse der Welt das Urtheil, ob ich meinen Zweck erreichet habe.
Ich bin kein Freund von unnöthig weitläuftigen Vorreden. Ich habe aber der Wollust und des Epicur gedacht; und dieß zwinget mir noch eine Anmerkung ab. Ich setze in meinem Gedichte das Wesen der Glückseligkeit in das Vergnügen. Epicur ist eben dieser Meinung gewesen. Aber er soll, wie einige behaupten, die Glückseligkeit bloß in das sinnliche Vergnügen gesetzt haben: andre vertheidigen ihn wider diese harte Anklage. Ich habe, als Dichter, die gute Meinung seiner Vertheidiger angenommen. Der Philosoph findet freylich Ursachen genug, wenn er auch nur die Schriften des Cicero gelesen, das epicuräische System von einer nicht so vortheilhaften Seite anzusehen. Doch werden einige Stellen eben dieses Cicero, des Seneka und des Laertius ihn wieder irre machen, und er wird dem weisen Griechen ein so unphilosophisches System kaum zutrauen [216] können. Epicur mag inzwischen gedacht haben, wie er wolle: es ist offenbar, daß ich sehr entfernt sey, in diesem Gedichte das sinnliche Vergnügen zu dem einzigen oder höchsten Vergnügen des Weisen zu machen. Ich müßte vermuthen, daß meine Leser keine Augen hätten, wenn ich dieß beweisen wollte. Diejenigen, welche Epicurs Lehrgebäude nach seinem ganzen Umfang annehmen, mögen ihn wider die daraus hergeleiteten verhaßten Folgen zu verwahren suchen. Sie mögen zusehen, wie sie ihn wider die alte und mit aller Beredsamkeit eines Cicero geschmückte Beschuldigung, daß bey ihm die Tugend bloß eine Magd der Wollust sey, retten wollen. Unsere Weltweisen haben höhere Gründe, als das Vergnügen, welches die Tugend begleitet, wenn sie die große Pflicht, tugendhaft zu seyn, beweisen sollen. Ich habe diese Gründe hier billig voraus setzen können. Als ein Lehrer der Kunst stets fröhlich zu seyn, bin ich berechtiget gewesen, die Tugend bloß als eine Mutter des reinesten Vergnügens anzupreisen. Diese liebenswürdige Seite ist ihr eben so wesentlich, als vortheilhaft.
Wenn ich lauter billige und unpartheyische Leser vermuthen könnte, so würde diese Anmerkung unnöthig seyn. Aber eine unangenehme Erfahrung seit etlichen Jahren hat mich gelehret, wie leicht in dem Munde solcher Personen, die man haßt, auch die unschuldigsten Dinge die unverzeihlichsten Verbrechen werden. Vielleicht bin ich ungerechten Mißdeutungen durch diese kurze Erklärung vorgekommen.
Der Weise kann überall fröhlich seyn: sein wahres Vergnügen ist nicht an den Ort, noch an die Abwechslungen [217] des Glückes gebunden, folglich auch seine Glückseligkeit nicht. Denn Vergnügen ist das Wesen der Glückseligkeit, die entstehet, wenn wir alle unsere natürliche Begierden mit Vergnügen erfüllet sehen, und von allem Schmerz befreyet sind. Dieß scheint Epicurs Wollust zu seyn, worunter er vermuthlich nicht bloß sinnliches Vergnügen verstanden hat, welches nicht den ganzen Menschen, also nicht vollkommen, glücklich macht. Obgleich der Mensch dieser vollkommenen Glückseligkeit in seinem dermaligen Zustande nicht fähig ist; so muß er ihr doch nahe zu kommen suchen. Er kann schon glückselig heißen, wenn das Vergnügen die schmerzhaften Empfindungen nur merklich übertrift. Daß aber Vergnügen ein Zweck der Natur sey, lehrt uns ihre ganze Einrichtung. Wir sind bloß unglückselig, weil wir uns nicht zu erfreuen wissen.
Wer sich immer erfreuen will, muß zuerst die Summe seines Vergnügens zu vermehren suchen. Dieß kann er nicht ohne Weisheit und Tugend. Er sey also weise und tugendhaft, und forsche der Wahrheit nach: so hat er eine Quelle der edelsten und reinesten Freuden. Außer dem und bloß durch sinnliche Ergötzungen ist kein allgemeines und dauerhaftes Vergnügen zu erlangen. Diese letztern sind den Menschen nicht verboten: aber in deren Genuß müssen sie der Natur folgen, Misbrauch, Uebermaaß und [218] falschen Witz vermeiden, und dabey die höhern Ergötzungen der Seele bey Zeiten vorzüglich lieben.
Wer immer fröhlich seyn will, muß ferner die schmerzhaften Empfindungen zu verhüten, oder doch zu vermindern suchen. Das erste geschieht, wenn er sich durch die Weisheit in den Stand setzet, daß seine Begierden erfüllet werden können, wenn er daher die überflüßigen Begierden sich vom Halse schafft, die niedern Güter sich nicht als nothwendig vorstellt, und dagegen die edlern und wesentlichen zu seinem Augenmerke macht. Das andere geschieht, wenn man sich nicht thöricht fürchtet, durch Ungeduld nicht übel ärger macht, und sich vornimmt, was sich nicht ändern läßt, standhaft zu ertragen. Dieser Vorsatz wird durch den Gedanken, daß ein weiser und gütiger Gott die Welt und unser Schicksal regieret, belebet und befestiget. Diese Regierung Gottes kann aus seinen und der Geschöpfe Eigenschaften bewiesen werden. Und weil unter einer göttlichen Regierung alles, was ist, im Zusammenhange recht ist; so wirkt die Ueberzeugung von dieser Wahrheit eine freudige Beruhigung in den Widerwärtigkeiten des Lebens.
Durch die Gründe der Weisheit zur Standhaftigkeit, wenn sie auf das gegenwärtige Leben eingeschränket werden, wird der Zustand eines dauerhaften Vergnügens, unter allen Arten von Leiden, nicht wirklich gemacht. Die Unsterblichkeit der Seele und ein anderes Leben wird von [219] der Vernunft erkannt, aber nur wahrscheinlich, unsicher und mühsam. Die Offenbarung der Religion setzet sie außer Zweifel, und erweitert unsere Aussichten. Indem sie uns lehret, daß dieses Leben nur ein Zustand der Prüfung, und ein besserer Zustand der Tugendhaften künftig sey: so setzt sie uns in den Stand, die Widerwärtigkeiten des kurzen Lebens, in welchen das Glück einer Ewigkeit gegründet ist, die Leiden der Zeit, den Verlust der Glücksgüter und unserer Freunde zu ertragen, den Tod selbst nicht zu fürchten, sondern uns darauf zu freuen, und auf diese Weise immer fröhlich zu seyn.
To enjoy, is our Wisdom and our Duty; it is the great lesson of human life.
The Centaur not fabulous Lettr. 2
1 »Omnia, quae sumenda, quaeque legenda aut optanda sunt, inesse debent in summa bonorum, vt is, qui eam adeptus sit, nihil praeterea desideret.« (Cic. de fin. bon. et mal. L. IV.) Auch Herr. Prof. Crusius, in der Anleitung vernünftig zu leben §. 106. beschreibt den Trieb nach Glückseligkeit durch ein Verlangen, unsere Begierden allerseits mit Vergnügen erfüllet zu sehen, und von allem Schmerz befreyet zu seyn.
2 »Presque tous les anciens Philosophes, qui ont parlé du bonheur de l'homme, se sont attachés à une notion externe, etc. Il est clair, qu'ils ont attaché Pidée de la Béatitude, non à sa cause formelle, mais à sa cause efficiente, c'est-à-dire, qu'ils ont appellé notre bonheur ce qu'ils ont jugé capable de produire en nous l'état de félicité, et qu'ils n'ont point dit, quel est l'état de notre ame, quand elle est heureuse. Epicure n'a point pris le change, il a considéré la Béatitude en elle-même et non pas selon le rapport, qu'elle a à des êtres tout-à-fait externes, comme sont les causes externes etc.«
(Baile Art. Epicure Lit. H.)
3 »Generosa res est, respicientem non ad suas, sed ad naturae vires, conari alta, tentare, et mente maiora suscipere, quam quae etiam ingenti animo adornatis efficere possint.«
(Senec. de vit. beat. 20.)
4 »Un being may be said to be ultimately happy, in some degree or other, the sum total of whose pleasures exceeds the sum of all his pains.«
(Wollaston, the Religion of nature delineated 5. 11.)
– – – Id fateor, summamque bonorum
Esse voluptatem, modo scilicet inde petatur,
Vnde petenda venit, sitque inconcussa voluptas.
Sincera et vera et nullis obnoxia damnis.
Anti-Lucretius I, 969.
1 Weil dieser Theil meines Gedichtes dem sel. Herrn Hofrath von Cronegk einmal gewidmet gewesen, und von ihm gelesen worden, so habe ich seinen Namen beybehalten wollen.
2 »Die vernünftige Seele ist von der Art, daß sie ruhig und mit sich selbst zufrieden ist, indem sie recht thut.«
(Antonin VII, 27.)
3 »Non valet tantum animus, vt sese ipse videat; at vt oculus, sic animus, sese non videns, alia cernit.«
(Cic. Tusc. Quaest. L. 1.)
4 »Istae hilaritates non implent pectus, sed frontem remittunt: leves sunt, nisi tu forte iudicas, illum gaudere, qui ridet.«
(Senec. Epist. 13.)
Permittes ipsis expendere Numinibus, quid
Conveniat nobis, rebusque sit vtile nostris:
Nam pro iucundis aptissima quaeque dabunt Di;
Charior est illis homo, quam sibi.
Iuvenal. Sat. X.
1 »Warum nennest du denn diesen Zufall vielmehr ein Unglück, als ein Glück? Heißet dir etwan das ein Unglück, was den Endzweck der Natur des Menschen nicht umstößt?«
(Antonin IV. 53.)
2 »Qui m'auroit proposé,« schreibt sie an Saint-Evremond, »une telle vie, je me serois pendue. Cependant on tient à un vilain corps, comme à un corps agréable: on aime à sentir l'aise et le repos, après avoir senti ce qu'il y a de plus vif.«
(Oeuvres de Saint-Evremond T. III. p. 408.)
3 Daß die Welt in keinem Augenblick ihres Daseyns fortdauern könne, ohne von Gott erhalten zu werden, beweist, unter andern, Herr Prof. Meier in der Metaphysik 4. Theil §. 1022. etc.
4 »Tel est le jeu des choses les plus graves du monde. La Providence se rit de la sagesse et des grandeurs humaines. Des causes frivoles et quelquefois ridicules changent souvent la fortune des Monarchies entières.«
(Antimachiavel ch. 25.)
5 »At inquies, culpa mea stupiditateque propria mihi evenere plurima, quae facile fuisset evitare: – Ita sane sit; sed id scias, illam ipsam, quam agnoscis culpam, instrumentum fuisse Deo, quo te bonis tuis exueret, te vero infirmitate hac opprimeret, quam eo tempore tibi iudicaverat expedire.«
(Sarasa de arte gaudendi Tract. VI.)
6 »Die Gurken sind bitter: laß sie stehen! Es sind Dornen auf dem Wege: weiche ihnen aus! das ist genug. Sage aber nicht: warum ist dieses in der Welt? Sonst wirst du von den Naturkundigen ausgelachet werden. Eben wie dich ein Zimmermann oder Schuster auslachen würde, wenn du ihnen aufrücktest, daß Lappen oder Sägespäne in ihrem Laden liegen.«
(Antonin VIII, 53.)
7 »Es ist eine Thorheit, zu verlangen, daß die Bösen nicht Böses thun sollen: denn dieses heißet eine Unmöglichkeit begehren. Hingegen ihnen vergönnen, daß sie andern Böses thun mögen, und doch begehren, daß sie deiner schonen sollen: das wäre nicht nur eine Thorheit, sondern gar eine Tyranney.«
(Antonin XI, 19.)
Religion! Providence! An After-State!
Here is firm footing; here is solid Rock;
This can support us; all is Sea besides;
Sink under us; bestorms and then devours.
Night-Thoughts, Night the fourth.
Bicero Tusc. Quaest. L. II. Quod id, quod vitari non potest, metuit, is vivere animo quieto nullo modo potest. Sed qui, non modo quia necesse est mori, verum etiam quia nihil habet mors, quod sit horrendum, mortem non timet, magnum is sibi praesidium ad beatam vitam comparat.
1 Ich lese in des (Deslandes Hist. crit. de la Philosophie T.I. ch. 10. daß Des Cartes) an die Prinzeßinn Elisabeth von der Pfalz geschrieben habe: »Pour ce qui est de l'état de l'âme après cette vie, j'en ai bien moins de connoissance que Mr. Digby. Car laissant à part ce que la Foi nous enseigne, je confesse, que par la seule raison naturelle nous pouvons bien faire beaucoup de conjectures à notre avantage, et avoir de flatteuses espérances, mais non point aucune assurance«. (Deslandes) zeigt an dem angeführten Orte, wie ungewiß und problematisch die Lehre von der Seelen Unsterblichkeit bey den Alten gewesen.
2 Wollastons Religion of nature delineated Sect. 9.
3 »Nescio, quomodo, dum lego, assentior: cum posui librum, et mecum ipse de immortalitate animorum coepi cogitare, assensio omnis illa elabitur.«
(Cic. Tusc. Quaest. L. 1.)
Was Cicero von einem Plato sagt, sollte nicht von allen Philosophen gelten.
4 »Tot autem rationes attulit (Plato), vt velle ceteris, sibi certe persuasisse videatur.«
(Cic. Tusc. Quaest. L.I.)
5 »If this consent was only the effect of some Tradition, handed from parents to their childern; yet since we meet with it in all the quarters of the world, where there is any civility on sense, and in all ages, it seems to be coëval to mankind itself and born with it.«
(Wollaston Religion of Nature delineated Sect. 9.)
6 »Je ne dissimulerai point, que les Philosophes modernes ont été fort appuïés, fort enhardis, par la certitude constante de la Revélation, elle, qui est venue au secours de la Raison, pour la remettre dans ses voïes et l'empêcher de s'égarer de plus en plus. Sans ce bienfait salutaire, sans la confiance, qu'inspire le vrai une fois trouvé, auroient-ils pu donner de la consistence et de la réalité à la Métaphysique? Auroient-ils pu rendre la Théologie naturelle aussi touchante et aussi persuasive, qu'elle l'est devenue en ces derniers tems? Sûrs des principes, ils ont acquis sans peine le genie d'observation et de detail: ils ont tiré une infinité des consequences, qui par leur fecondité et par leur étroite liaison fortifioient ces principes mêmes, et les étendoient infiniment.«
(Histoire critique de la Philosophie par Deslandes
T.I. Préface.)
7 »Though, by the light of Nature, it was indeed exceeding probable and to be hoped for, that God would forgive Sin upon true Repentance; yet it could not be proved, that he was absolutely obliged to do so, or that he would certainly do so: On the contrary, there was reason to suppose, that, in vindication of his Laws, he would require some further Satisfaction and Expiation. And accordingly we find the Custom of sacrificing, to have prevailed over the Heathen World in all Ages. etc.«
(Discourse concerning the unchangeable Obligation of Natural Religion and the Truth and Certainty of the Christian Revelation by Sam. Clark p. 263.)
8 »If the state of the soul in the body (it's confinement there) may be consider'd as one general and great limitation, why, when this limitation shal be taken off (this great obstruction removed) may it not be allowed to act with still greater freedom and clearness, the greatest it is capable of?«
(Wollaston Religion of Nature delineated Sect. 9.)