Gebet für die Gefangenen
Herrgott!
Wenn du zufällig Zeit hast, dich zwischen zwei Börsenbaissen
und einer dämlichen Feldschlacht in Marokko auch einmal um
die Armen zu kümmern:
Hörst du siebentausend Kommunisten in deutschen Gefängnissen
wimmern?
Kyrie eleison –!
Da sind arme Jungen darunter, die sind so mitgelaufen,
und nun sind sie den Richtern in die Finger gefallen;
auf sie ist der Polizeiknüppel niedergesaust,
der da ewiglich hängt über uns allen . . .
Kyrie eleison –!
Da sind aber auch alte Kerls dabei, die hatten Überzeugung,
Herz und Mut –
das ist aber vor diesen Richtern nicht beliebt,
und das bekam ihnen nicht gut . . .
Kyrie eleison –!
[531]Da haben auch manche geglaubt, eine Republik zu schützen –
aber die hat das gar nicht gewollt.
Fritz Ebert hatte vor seinen Freunden viel mehr Angst
als vor seinen Feinden – in diesem Sinne: Schwarz-Rot-Gold!
Kyrie eleison –!
Herrgott! Sie sitzen seit Jahren in kleinen Stuben
und sind krank, blaß und ohne Fraun;
sie werden von Herrn Aufseher Maschke schikaniert und
angebrüllt,
in den Keller geschickt und mitunter verhaun . . .
Kyrie eleison –!
Manche haben eine Spinne, die ist ihr Freund;
viele sind verzankt, alle verzweifelt und sehnsuchtskrank –
Ein Tag, du Gütiger, ist mitunter tausend Jahr lang!
Kyrie . . .
Vielleicht hast du die Freundlichkeit und guckst einmal
ins Neue Testament?
Bei uns lesen das die Pastoren, aber nur sonntags –,
in der Woche regiert das Strafgesetzbuch und der Landgerichts-
präsident.
. . . . eleison –!
Weißt du vielleicht, lieber Gott, warum diese Siebentausend
in deutsche Gefängnisse kamen?
Ich weiß es. Aber ich sags nicht. Du kannst dirs ja denken.
Amen.