Schwejk der Zweite

ist erschienen – der Dritte und der Vierte stehen uns noch bevor – also für die Lachlust in diesem Winter ist ausgesorgt: kein Artikel eines preußischen Kunstkonservators, keine deutsche Briefmarke, kein deutscher Juristentag ist vonnöten, um ungeheure Heiterkeit zu erregen – Schwejk ist da! Schwejk der Zweite. (Wiederum bei Adolf Synek in Prag.)

Dieses Mal ist der liebenswürdige Held dem Kriege bereits nähergerückt: er treibt sich im Etappengebiet herum, und was er da aufstellt, ist in seiner Mischung von Blödheit, Drolerie, völliger Ignorierung der großen Zeit etwas ganz Herrliches. Gott weiß, was uns durch diese unmögliche Übersetzung verloren geht – aber es bleibt noch genug.

Hašek? Der muß am Hals einer Flaschenbierflasche zur Welt gekommen sein – er war kein Politiker, sondern besoffen.

Es sind wieder Geschichten von so atembeklemmendem Wahnwitz in dem Buch, wie sie nur ein ungeheurer Bierbräu- und Schnapssäufer in tiefen Nachtstunden erfinden kann, die Übergänge sind so schön in Unordnung . . . So, wenn Schwejk den Rechnungsfeldwebel mitten im Krach fragt: »Was sind Sie denn in Zivil, Herr Rechnungsfeldwebel?« Und der die glatte Antwort gibt: »Ich bin sozusagen der Drogist Wanek aus Kralup.« Ach ja, sie waren allesamt verkleidete Drogisten, und ich besinne mich noch sehr gut, wie unser Kompaniekoch Fulte, sozusagen Kellner in einem Nachtlokal, von mir vergeblich auf die Ankunft eines hohen Brigadiers aufmerksam gemacht wurde . . . »I!« sagte Fulte. »Deine Brigadekommandeure – das sind ja auch man sone Zigarrenvertreter . . . « Und er hatte ja recht, denn das große Übel der kaiserlichen Armee war eben, daß wir keine Generalfeldmarschälle der Reserve hatten.

Um auf Schwejk zurückzukommen, so erzählt er jenem Drogisten-Feldwebel sogleich, bei wem er, Schwejk, einmal in der Lehre gewesen, und wie es da zugegangen sei, um dann plötzlich die verblüffende Frage zu stellen: »Erzeugen Sie auch Gewürz für Kühe?« Wanek schüttelte den Kopf . . .

[566] Am zweitschönsten eine herrliche Abschiedsszene zwischen Schwejkn und Woditschkan; jeder wird von einer Militärpatrouille zum Schlachtfeld abgeführt, damit da unterwegs nicht wieder Dummheiten vorkommen – und über den Kasernenhof rufen sie sich nun noch die letzten Abschiedsworte zu, die letzten Grüße . . . Sie wollen sich wieder treffen, später, im ›Kelch‹, in der Na Bojischti, in Prag, Woditschka: »Also schau aber bestimmt, daß du eine Unterhaltung zustandbringst, bis ich hinkomm!« Und Schwejk: »Komm aber bestimmt, bis der Krieg zu Ende sein wird!« Dann entfernten sie sich voneinander, und nach einer hübschen Weile konnte man hinter der Ecke von der zweiten Reihe der Baracken her abermals Woditschkas Stimme vernehmen; »Schwejk! Schwejk! Was für Bier ham sie beim ›Kelch‹?« Und wie ein Echo ertönte Schwejks Antwort: »Großpopowitzer.« – »Ich hab gedacht: Smichover!« rief Sappeur Woditschka von weitem. »Sie ham dorten auch Mädeln!« schrie Schwejk. »Also nachm Krieg, um sechs Uhr abends!« schrie Woditschka von unten. »Wenn Menschen auseinandergehn, dann sagen sie auf Wiedersehn!« fügt der vorsorgliche Autor hinzu. Zwei Engel au dessus de la mêlée.

Ich bin neugierig, was nun noch alles kommt. Mich wundert gar nichts mehr – und wenn der Oberleitnam Lukasch dem Schwejk sagte: »Schwejk, bereiten Sie mir ein Bad!«, so tuts Schwejk, und ordentlich, wie er ist, wird er dann wahrscheinlich oben an der Wanne ein Schild befestigen: Kopfende; und unten:Fußende; und in der Mitte: Mittelende.

Wie glücklich ist doch ein Volk zu schätzen, das solche Helden sein eigen nennt! Unsre haben Schnauzbärte, viereckige Köpfe und klirrenden Küraß. Dafür kommen sie dann auch in die deutsche Walhalla, jener Heldenretirade, wo Otto Geßler den Unsterblichen das Handtuch hinreicht und auf den Buckel geklopft kriegt. »Man bittet, den Mann, der hier reinemacht, nicht zu vergessen.«

So hat jedes Land seine Eigenarten und völkischen Werte. Wir aber freuen uns auf die nächsten zwei Bände vom Soldaten Schwejk.


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