Korrespondenten reisen

Da schicken nun die großen Zeitungen ihre Korrespondenten auf die Reise, und die sollen nach Hause berichten, wie es in Madagaskar, Island, Sibirien und Trans-Ozeanien aussieht. Wie machen sie das –?

Mir ist aufgefallen, daß sie uns mitnichten schreiben, wie es in den Ländern aussieht, die schon so fern sind, daß sie schon wieder gleichgültig sind, sondern sie schildern uns gar nicht das Land –: sie schildern uns bis zur Erschlaffung ihre Reisen und die Schwierigkeit dieses Reisens.

»Mein Kameltreiber hatte fünfzig Pfund . . . « – »Als wir in den Zug stiegen, erwarteten wir, daß er nun abginge – er ging aber noch lange nicht ab, sondern . . . « – »Die Zugverbindung nach Iskapara ist zur Zeit auf ein kleines Bähnchen angewiesen, das . . . « – »Alle Hotels besetzt. Was nun?«

Nun vor allem mal nach Hause fahren und Unterricht nehmen, wie man eigentlich Reisebeschreibungen macht. Das ist ja Zimt.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

Die eine bessre ist die, sich einen Mann zu engagieren, der in dem fremden Lande wohnt und es wirklich kennt. Es ist nämlich viel wichtiger, was so einer sagt, der nur jung genug sein oder geblieben sein muß, um nicht alles selbstverständlich zu finden, was ihn da umgibt, und alt genug, um die Bedürfnisse des deutschen Publikums zu kennen; so einer kann, wenn die Zeitung und wir Glück haben, das Land wirklich von innen beschreiben.

Die andre Möglichkeit ist die, einen Künstler wie Arthur Holitscher, oder einen fixen und gewandten Journalisten auf Reisen zu schicken, der im Wirbelwind das fremde Land sieht, sich nicht im Wege steht und kleine Momentbilder entwickelt – das kann, wenn der Mann gut ist und gut schreibt, sehr lustig und manchmal auch aufschlußreich sein: es kommt vor, daß der Fremde tiefer sieht als der durch Gewohnheit Abgestumpfte.

Aber die Kursbuchplackerein sind die Druckerschwärze und unsre Zeit nicht wert. Als ob das heute noch etwas bedeute, um die Welt [42] zu fahren! Das kann jeder Hammel. So einer bringt doch nur seine Koffer wieder nach Hause, die mit neunzig neuen Zetteln vollgepappt sind, und darauf ist er auch noch stolz – aber wir wollen diese Zettel gar nicht lesen. Und wollen auch nicht wissen, daß es in Smyrna üblich ist, dreißig Prozent Trinkgeld zu geben, und daß in San Francisco im Hotel morgens Whisky zum Kaffee serviert wird (in hohlen Bibeln), und daß man in Frankreich nicht mit jedem Zug beliebig weit fahren kann . . . dazu schicke ich euch für mein teures Geld auf Reisen?

Um die ›Deutsche Allgemeine Zeitung‹ zu lesen, muß ich mir die Haare schneiden lassen; um die›Elegante Welt‹ zu lesen, gehe ich zum Zahnarzt, und wegen des ›Berliner Lokalanzeigers‹ in die kleinen Häuschen. Da wird man doch wohl als langer Abonnent verlangen können, daß die Herren Reisekorrespondenten . . . wie –?


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