251. Die sieben bunten Mäuse.

Vor langer Zeit lebte zu Pudmin auf Rügen eine Bauernfrau, die hatte sieben Kinder, welches lauter Mädchen waren, das älteste zwölf und das jüngste zwei Jahre alt. Die Kinder waren alle übereins gekleidet, und trugen bunte Röcke und bunte Schürzen und rothe Mützen. Da trug es sich einst auf einen Charfreitag zu, daß die Frau mit ihrem Manne zur Kirche ging, und die sieben Kinder [294] allein zu Hause ließ. Diese waren Anfangs still und fromm. Nun aber hatte die Frau hinter den Ofen einen Beutel mit Nüssen und Aepfeln gestellt, den sie des Nachmittags ihrem kleinen Pathen schenken wollte. Den bekamen die Kinder zu sehen, und darauf war es mit ihrer Ruhe aus. Sie fielen über den Beutel her, und schmauseten Aepfel und Nüsse auf, so viel deren darin waren. Darüber erzürnte sich die Frau, als sie aus der Kirche zurückkam, und sie konnte sich nicht mäßigen, obgleich es am stillen Freitage war, sondern schimpfte die Kinder laut, und weil man kleine Diebe auch wohl Mausemärten zu nennen pflegt, so ging sie in ihrem Zorne so weit, daß sie ausrief: Der Blitz, ich wollte, daß ihr Mausemärten alle zu Mäusen würdet!

Einem solchen schrecklichen Fluche an dem heiligen Tage und gegen die eigenen Kinder folgte aber die Strafe auf dem Fuße nach. Denn kaum hatte sie die Worte gesprochen, so waren auf einmal alle die sieben Kinder in sieben Mäuse verwandelt. Die liefen in der Stube hin und her, mit bunten Leibern und rothen Köpfen, wie die Kinder sich getragen hatten. Da erschrak die Frau sehr, und wußte nicht, was sie in ihrer Angst anfangen solle. Mittlerweile kam der Knecht, und öffnete die Thür, und nun liefen die sieben Mäuse alle auf einmal durch die öffne Thür zur Stube hinaus und aus dem Hause, und immer weiter über das Pudminer Feld und das Günzer Feld und das Schoritzer Feld, und endlich über das Dumsewitzer Feld in einen kleinen Busch hinein. Die Mutter lief ihnen nach und weinte und jammerte, und bat den lieben Gott, daß er ihr doch ihre Kinder wieder geben möge. Aber sie konnte sie nicht einholen. In dem Busche hinter dem Dumsewitzer Felde war ein klarer Teich; auf diesen liefen die sieben Mäuslein zu, und erst an dem Ufer [295] blieben sie stehen, und sahen sich um. Da erblickten sie die Mutter, die ihnen gefolgt war, und nachdem sie die eine Weile angesehen hatten, sprangen sie auf einmal alle Sieben in das Wasser und gingen sogleich unter. – Als die Bauernfrau dieses Unglück sah, da wurde sie vor großem Schreck zu einem Stein, und rührte nicht Hand oder Fuß mehr.

Der Busch, in welchem dieses geschehen ist, heißt seitdem der Mäusewinkel. Den Teich sieht man noch darin, und an demselben auch noch einen großen, runden Stein, in den die Frau verwandelt ist. Aus dem Teiche kommen alle Nacht die sieben bunten Mäuse heraus, und tanzen um den Stein herum, eine ganze Stunde lang, von zwölf Uhr bis um eins. Der Stein klingt dann, als wenn er sprechen könnte. Die Mäuse singen dabei einen Gesang, welcher also lautet:


Herut, herut,
Du junge Brut!
Din Brüdegam schall kamen,
Se hebben di
Doch gar to früh
Din junges Leben namen.
Sitt de recht up'n Steen,
Watt he Fleesch und Been,
Um wi gan mit dem Kranze,
Säven Junggesell'n
Uns führen schäl'n,
Juchhe, tom Hochtidsdanze!

Man sagt, daß dieses Lied bedeuten soll, daß die Mäuse und die Frau einstens wieder in Menschen können verwandelt werden. Dies soll auf folgende Weise geschehen:

Es muß eine Frau seyn, gerade so alt, wie die Bauernfrau, als sie aus der Kirche kam. Die muß sieben Söhne [296] haben, gerade so alt, als die sieben kleinen Mädchen waren, da sie verwandelt wurden. Wenn die Frau nun mit ihren sieben Söhnen auf einen Charfreitag, gerade um die Mittagszeit, in den Mäusewinkel kommt, und sie sich alle auf den runden Stein setzen, dann wird dieser Stein und die sieben Mäuse wieder zu Menschen werden, und sie werden gerade so aussehen, und dieselben Kleider tragen, wie vor tausend Jahren zur Zeit ihrer Verwandlung. Wenn dann die vierzehn Kinder groß werden, so sollen sie einander heirathen, und sie sollen sehr glücklich und reich werden, denn alle Güter und Höfe ringsumher sollen ihnen gehören.

E.M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 3-9.

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