9. Die betenden Straßenräuber.

Vor vielen Jahren lebte in einem Dorfe unweit Stendal ein Prediger, der sehr geizig war. Der war eines Tages in Stendal gewesen, und hatte dort viel Geld eingenommen, [11] was drei Soldaten gesehen hatten. Als der Prediger daher mit seinem Gelde die Stadt verließ und seinem Dorfe zuging, folgten ihm die drei Soldaten, welche lose Galgenvögel waren, und trachteten ihm sein Geld abzunehmen. Offene Gewalt wollten sie nicht gern gebrauchen; deshalb wandten sie folgende List an: Als der Pfarrer mitten im Felde war, traten sie zu ihm, und sprachen ihn demüthig um eine Reiterzehrung an. Ihnen erwiederte der Geistliche mit heuchlerischen Worten, daß er kein Geld bei sich habe, und es ihm daher sehr leid thue, daß er ihnen nichts geben könne. Da sprach einer der Galgenvögel eben so heuchlerisch: So lasset uns, lieber Herr, mit einander beten, daß uns Gott etwas bescheren wolle, und was er uns dann zuwenden wird, das wollen wir ehrlich mit einander theilen. Dieser Vorschlag gefiel natürlich seinen Gesellen, und der Prediger konnte sich ihm nicht widersetzen. Was geschah? – Sie knieeten alle Vier nieder, und beteten lange mit einander. Dann standen sie auf, und die drei Soldaten fragten einer den andern, ob ihnen Gott etwas beschert habe. Als nun die Soldaten alle drei Nein gesagt hatten, wandten sie sich an den Pfarrherrn und sprachen, dann müsse er doch sicher etwas bekommen haben. Der erschrockene Prediger schwor, er sei noch so arm, als vorher; allein das half ihm nichts. Die Räuber meinten, er selbst kenne sein Glück noch nicht, und wendeten ihm die Taschen um und suchten seinen Kober durch. Da fanden sie denn viele Thaler, die nahmen sie heraus, und theilten sie ehrlich in vier Theile, gaben dem Prediger davon einen, und nahmen ein Jeglicher auch einen, und gingen also ihre Straße fröhlich zurück.


Sammlung zu einer Chronik von Stendal. II. 48. 49.

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