[56] 9. Die gröste Beschwerligkeit/ die Liebe

1.
Mit Lieben ist es so beschaffen:
du must dich offters lassen straffen/
dein Ernst muß Spott und Tohrheit sein.
Du must dich so/ bald anders stellen.
Redtstu vom Himmel/ sie spricht: Nein/
so muß es sein der Schlund der Höllen.
2.
Kein ruhig Leben kanstu führen/
du must dich selbst in dir verlieren/
must lebend-todt/ todt-lebend sein.
Du darffst nicht/ was dir gut dünkt/ sagen
bewährstu daß und sie spricht Nein/
so mustu bald dein Wort verschlagen.
3.
Dein Tag vergeht in Noth und Plagen/
die Nacht verschwindet dir mit Klagen/
du kanst nicht schlaff- nicht wachend sein
hast du dich eins der Lieb' ergeben
und meinest froh zu sein. Ach nein!
die Lieb ist dir ein Marterleben.
4.
Offt mustu vor die Pforten nachten/
must Regen/ Frost und Schnee verachten/
must leiden und geduldig sein.
Hört sie dich an mit tauben Ohren;
sey nicht verdrießlich/ Nein ach nein.
Verdruß hat manchen Raub verlohren.
[57] 5.
Der Neider Zungen mustu lachen/
must allzeit dich Politisch machen/
in alle Sättel eben sein.
Fragt iemand/ ob du diese liebest/
so mustu sagen: Nein ach nein/
daß du dich nicht mit ihr betrübest.
6.
Was ihr gefället/ mustu preisen
und iederzeit dich so erweisen/
daß du nicht ihr mögst widrig sein.
Hastu von ihr was fliegen lassen/
und sie befragt dich. Antwort: Nein
damit sie dich nicht möge hassen.
7.
Spielt sie: so laß sie nicht verlieren/
nur dir wil der Verlust gebühren.
Dein Beutel muß stets offen sein/
durch Lieben kan man wenig haben:
kein Krösus wirstu werden. Nein
die Jungfern lieben Gold und Gaben.
8.
Heist sie dich spöttlich von sich gehen
so mustu lernen Scherz verstehen/
must dumm und unempfindlich sein.
Auff ihr Verachten/ Schimpff und schelten
mustu nicht zürnen. Nein ach nein!
die Lieb' ist sonder Stürme selten.
9.
Der Hoffnung/ Sorge/ Furcht und Sehnen
dürffstu dich nimmer abgewehnen/
[58]
must nimmer frey und deine sein.
Drumb wil ich nun vom Lieben lassen.
solt' ich es können! Nein/ ach nein!
Wer kan die lieben Jungfern hassen?

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek