Der edle Sohn.
Es wüthete einst ein recht langwieriger und furchtbarer Krieg, der viele Menschen in die bitterste Armuth[176] stürzte. Miller, ein armer Handwerksmann, ward dadurch, daß fast Niemand ohne die äusserste Noth ihm etwas zu arbeiten gab, und durch die starke Eiquartierung, bei welcher auch er in seinem kleinen Häuschen immer einen, oder wohl zwei Soldaten aufnehmen und speisen mußte, in solche Noth und Dürftigkeit versetzt, daß er und seine Frau und seine Kinder die Betten verkaufen und auf bloßem Stroh schlafen mußten. Alle ihre beßten Kleider hatten sie schon weggegeben und behalfen sich mit alten Lumpen; und doch legten sie sich manchen Abend hungrig nieder, und wenn sie aufstanden, erwartete sie nicht, wie ehemals, ein Frühstück, wäre es auch noch so geringe gewesen. Franz, der älteste Sohn, konnte das Elend der armen Eltern, die sich fast zu Tode kümmerten, nicht länger mehr ansehen. Er war wohl erst sechzehn Jahr alt; da er aber für sein Alter eine ungewöhnliche Größe besaß, und man es in den Kriegszeiten nicht so gar genau mit der Größe und Stärke der Soldaten nimmt, faßte er den Entschluß, für einen reichen jungen Menschen, welchen das Loos getroffen, Soldat zu werden, einzutreten, und dadurch, daß er sich eine Summe voraus zahlen ließ, den Eltern eine Unterstützung zu verschaffen. Es gelang ihm, und nachdem alles in Richtigkeit war, und drei Theile der [177] bewilligten Summe, wie es gewöhnlich ist, in der Kriegskasse niedergelegt wurden, um sie ihm nach Verlauf der sechs Dienstjahre auszuzahlen, erhielt er den vierten Theil, und heiter vor Sehnsucht und Freude, sie aus ihrer Noth zu erretten, flog er zu ihnen, um ihnen das Geld zu überbringen. Die guten Leute erschracken sehr, da sie wohl wußten, wie wenig Neigung ihr Sohn zu diesem Stande, den er aus Liebe für sie erwählt, immer gezeigt. Doch, nun war es nicht mehr zu ändern, und dieser Beweis seiner dankbaren Liebe für sie, und seines guten Herzens, rührte sie tief. Sie segneten ihn, und sahen ihn mit heissen Thränen seinem neuen Berufe folgen. Franz nahm eben so wehmüthig Abschied, und zog mit seinen Kameraden in die Kaserne, wo er aber nur so lange blieb, bis er das Exerzieren gelernt hatte, und dann ging auch er, wie die Uebrigen, zu dem Regimente ab, bei welchem er angenommen, und welches bei der Hauptarmee stand. Sechs Jahre lang duldete er alle Mühseligkeiten und Plagen seines Standes; da ward der Friede geschlossen, und auch Franzens Dienstjahre waren zu Ende. Nachdem er das ihm aufbewahrte Geld empfangen, ging er mit demselben zu den Eltern. Die armen Leute hatten unterdessen mit Mangel, Krankheiten und drückenden Schulden [178] zu kämpfen gehabt; denn das, was ihnen Franz gleich anfänglich gegeben, konnte bei der Theurung die damals herrschte, und ihrer gänzlichen Nahrungslosigkeit, nicht lange in ihren Händen bleiben. Der Mann hatte sogar aus Noth sein Handwerksgeräthe verkaufen müssen, und ward, durch den Mangel desselben, in die größte Noth gestürzt, da er nun auch gar nichts arbeiten, und daher auch nicht das Mindeste erwerben konnte. Wie ein rettender Engel erschien der zurückgekehrte Sohn, den unter dem Drucke aller Lasten und Plagen Tiefgebeugten. Das Häuschen war ihnen schon lange genommen worden, und sie bewohnten ein kleines, finstres, rauchiches Stübchen, entblöß von allen Bequemlichkeiten des Lebens. Franzens erste Sorge war die, eine, wenn auch nicht schöne, doch weit bessere Wohnung als die bisherige, zu miethen, und das nothwendigste Hausgeräthe und Handwerkszeug anzuschaffen; denn in der Finsterniß wäre es nicht möglich gewesen zu arbeiten. Schwer ward es ihnen wieder Arbeit zu bekommen, und nur mit unendlicher Mühe gelang es dem Vater wie dem Sohne, nach vielen Wochen eine kleine Bestellung zu erhalten; da aber Beide mit Fleiß und um billige Belohnung arbeiteten, so gelang es ihnen nach und nach mehr Aufträge zu bekommen, und in einigen Jahren, als die nun [179] heran gewachsenen jüngern Geschwister auch mit helfen konnten, und ihren Unterhalt dadurch selbst verdienten, verbesserten sich die Umstände dieser Familie so sehr, daß sie zuletzt so wohlhabend wurde, als sie vormals arm und dürftig war. Wie liebten die Eltern und Geschwister aber den guten Franz, den sie mit Recht als ihren Erretter ansahen, und welche Freude mußte ihm das neu aufblühende Glück der Seinigen gewähren.