[Da Jesus an dem Creutze stund]
[198][204]Da Jesus an dem Creutze stund,
Mit blut gantz vberschossen,
Von haupt biß zu den füssen wund,
Hat mich gar sehr verdrossen,
[204]Daß noch die Sonn in vollem brand
Mit ihren gülden wagen
Thet vberfahren alle land;
Bat Gott, er drein wolt schlagen.
O Gott, sprach ich, laß eylend doch
Laß roß, vnd wagen stürtzen,
Der freche tag geht vill zu hoch;
Schnell wollest ihn verkürtzen:
Stell nur, stell ein: all sonnen schein,
Das liecht mag ich nit leiden;
Weill ich nit kan: mehr schawen an
Mein lieb am Creutz verscheiden.
Die dunckel nacht: mir baß behagt,
Wans käm den lufft erschwertzen,
Vnd deckt in ruh: mein Jesum zu;
Daß niemand seh den schmertzen.
Kom nur mit macht: o schwartze nacht:
Mein Jesum solst bedecken
Er hengt in noth: ringt mit dem tod:
Es grawset mich vor schrecken.
Ach wicklet ein: den liebsten mein,
Ihr finsternüssen schwere,
Daß ich nit seh: sein großes weh
Mich kräncket vil zu sehre.
Ade, ade: nit scheinet meh,
Sonn, Mon, vnd himmel Sterne
Bin gar bereit: zu leben alzeit,
Im duncklen also gerne.
Nur trawrigkeit: nur hertzen leid
Werd ich hinfürter treiben,
Dich gar ô welt, hab abgestelt
An dir werd mich nit reiben.
Einmahl ich war: in tods gefahr;
Schier war ich vnter gangen
Da kam zu steur: der held so theur,
Für mich wolt selber hangen.
[205]
Mit starckem lauff: zum Creutz hinauff
Sich that er hoch erschwingen,
Für mich da starb: mirs heil erwarb:
O Gott, was wunder dingen!
Du frommer held: wans dir gefelt,
Laß dich vom Creutz herabe,
Daß dich mitt frist; weil storben bist
Im hertzen mein begrabe.