[123] Am 29sten Januar 1816

Und läg' ich auch in harten Kerkerbanden,
Umgäb' auch rings die Nacht mich öd' und leer,
Und irrt' ich auch in weit entfernten Landen
Durch Gluth und Frost, durch Wüsteney und Meer,
Verfolgt, bedroht, verlassen, unverstanden,
In Sturm und Noth, mit mattem Fuß, umher,
Doch würde nie dein Bild sich von mir trennen,
Dein würd' ich seyn und dich noch sterbend nennen.
Denn wie belebt das ungezwung'ne Eisen
Sich folgsam naht dem fesselnden Magnet,
Wie ewig treu in wandellosen Kreisen
Die Erde sich um's Licht der Sonne dreht,
Wie ohne Rast auf nächt'gen Pilgerreisen
Von Meer zu Meer die Schaar der Sterne geht,
So ward auch ich in dunkeln Schicksalsstunden
Mit finsterm Zwang an deinen Pfad gebunden.
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Und magst du auch mich stolz und kalt verlassen,
Und nimmer Trost und Freude mir verleihn,
Mag liebend einst ein Andrer dich umfassen,
Und wilder Schmerz mein Innerstes entzweyn,
Und könntest du auch je mich feindlich hassen
Und deines Siegs und meiner Noth dich freun,
Du zwängst mich leicht, in ungeheuren Leiden,
Vom Leben wohl, doch nicht von dir zu scheiden.
Ach, Alles, was verknüpft mit deinem Leben,
Nur Kunde mir von deiner Nähe giebt,
Der leichte Flor, der deine Brust umgeben,
Das Werk, woran die zarte Hand sich übt,
Die Saiten, die von deinem Finger beben,
Die Blumen, die dein Auge wählt und liebt,
Der Raum, die Luft, das Licht, das dich umfangen,
Weckt Lieb' und Lust und Schmerz mir und Verlangen.
Und seh' ich dann dich selber vor mir stehen,
Dem Monde gleich an dunkler Wolken Rand,
Läßt freundlich mir dein klarer Blick sich sehen,
Berührt nur leis' im Nahn mich deine Hand,
Fühl' ich von fern nur deines Mundes Wehen,
Streift flüchtig nur dein Arm mich, dein Gewand,
Dann ringen schnell im wunderbaren Spiele
Durch meine Brust verworrene Gefühle.
Wie still am Rand der wilden Felsenquelle
In linder Luft die stolze Rose blüht,
Indeß ihr Bild im Strom der raschen Welle
Unruhig schwankt und auf und nieder flieht:
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So strahlst auch du in wundersel'ger Helle,
Mit klarem Sinn und friedlichem Gemüth;
Doch stürmisch regt die Fluth in meinem Herzen
Sich um dein Bild in Sorge, Wahn und Schmerzen.
Nichts denken kann ich dann und nichts beginnen,
Die Lippe schweigt, dich sieht mein Aug' allein,
Die Welt versinkt vor meinen irren Sinnen,
Nichts an mir ist, nichts in mir selbst mehr mein,
Und Flammen fühl' ich durch die Brust mir rinnen,
Und kämpfe wild mit Zweifel, Trug und Schein;
Mit Licht und Nacht in wandelbaren Wogen
Hält Lust und Leid mir Blick und Geist umzogen.
Ich kann nicht nahn, nicht fliehn und nicht verweilen,
Es fesselt mich und treibt mich rastlos fort;
Mag Ort und Zeit auch wechseln und enteilen,
Eins bleibt die Zeit mir ewig, Eins der Ort.
In tausend Wünsche muß mein Geist sich theilen,
Und alle doch umfängt ein einz'ges Wort.
Von tausend Pfeilen ist mein Herz getroffen
Und bleibt doch stets für neue Wunden offen.
O stolzer Sinn, der früher nie bezwungen,
Vor keinem Drohn den freien Blick gesenkt,
Wie hält dich jetzt ein hartes Band umschlungen,
Das zarte Hand nach strenger Willkühr lenkt!
Der muthig sonst mit jedem Feind gerungen,
Jetzt zagt er ihr, die oft so tief ihn kränkt,
Und heischte sie zum Spiel sein Heil, sein Leben,
Gern würd' er ihr, der Feindlichen, es geben.
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Und bin ich auch von ew'ger Qual zerrissen,
Vergeh' ich auch im rastlos wilden Streit,
Nichts will mein Herz von Rath und Rettung wissen,
Wenn nicht das Glück die volle Gunst mir beut,
Denn mit dem Schmerz müßt' ich das Leben missen,
Dem Liebe nur Licht, Kraft und Athem leiht.
Eh langsam mir Gefühl und Sehnsucht sterben,
Mag lieber rasch mich Kampf und Sturm verderben!
O wärst du doch als Königin geboren
Und hättest mich aus deines Volkes Zahl
Zum niedrigsten der Diener dir erkohren,
Den Becher dir zu füllen nur beym Mahl!
Wohl hab' ich jetzt die Freyheit längst verloren,
Und ach, doch ist mein Loos nicht deine Wahl!
Und muß auch ich mich ganz den Deinen nennen,
Du willst mir nie den süßen Namen gönnen!
O nimm es hin, dies jugendliche Leben,
Dies Herz, das sonst so kühn, so fröhlich schlug,
Den treuen Sinn, des Willens edles Streben,
Den Geist, der nie ein schnödes Band ertrug!
Mein Hoffen selbst, ich will auch das dir geben;
Für dich ist nichts mir lieb und werth genug!
O daß mein Herz doch einmal nur erriethe,
Nicht schein' auch dir ganz werthlos, was ich biete!

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