[129] 1.
Ein Weib hatte genug an ihrem Manne und wollte ihn langsam von sich thun. So kochte sie ihm alle Tage Rayacker oder Drüll, und der Mann zehrte davon ab. Er sagte daher einmal, weil er des Weibes Absicht durchschaute:
O Weib,
Semmel und Milch
Tödtet mich;
Aber Rayacker,
Macht mich wacker.
Da gab ihm das Weib täglich Semmel und Milch, vermeynend, daß er eher abbern sollte; im Gegentheile aber erstarkte der Mann.
Nun war ihm das Weib zuwider geworden, und er gedachte sie von sich zu schaffen. Deshalb sagte er eines Tages zu ihr: Weib, ich will nicht mehr leben, schwach und blind wie ich bin, ist mir das Leben zur Qual; führe mich hinaus, ich will mich ertränken.
Das Weib führte ihn hinaus an des Teiches Rand. Der Mann aber bat sie, einen rechten Anlauf zu nehmen und ihn in das Wasser zu rennen.
Das Weib that so, der Mann wich aus und das Weib stürzte vollen Laufes in das Wasser. Umsonst bat sie den Mann ihr zu helfen, er sah ja nicht. Getröstet ging er nach Hause und lebte froh, daß er sein böses Weib los hatte. Velburg.