[402] §. 45. Schwarzenberg.
Der Schwarzenberg, zwischen Fronau und Roding gelegen, heißt auch Schwürzenberg, und wird darum gar oft mit dem Schwürzelberg verwechselt. Er trägt ebenfalls eine zerstörte Burg auf seinem Rücken und ist nicht minder berüchtiget als Wohnort unruhiger Geister, deren Musik man oft bis Roding hört, deren Sprache ganz fremd klingt, so daß die Mutter ihre unartigen Kinder durch Drohen mit den Schwürzenbergern sofort zum Gehorsam bringen.
An der Burg ist ein tiefer Brunnen, Faulthurm genannt; dahin werden die bösen Geister vertragen.
Eine Mutter ging Sommerszeit mit ihrem Kinde in den Wald auf den Berg, gegen die Burg hin, um Schwarzbeeren zu suchen, und setzte das Kind unter einen Baum. Als sie zurückehrte, war es verschwunden: an der Stelle lag aber eine Menge neuer Kleiderhaften. Nun ging sie auf den Rath des Pfarrherren tagtäglich zur selben Zeit, es war die Mittagstunde, an den Baum, unter welchen sie das Kind gesetzt hatte. Nach Jahr und Tag saß dieses darunter, in denselben Kleidchen, die es das letztemal anhatte, aber sehr zerrissen, sonst ganz wohl, und theilte der frohen Mutter mit, daß jeden Tag eine schöne Frau gekommen sey und ihm Essen gebracht habe.
Die Burg ist ausserdem weit berühmt als ehemalige Werkstätte von Falschmünzern. Ein Fremder kam einst [403] nach Wetterfeld: es war schon spät Abends, und er sprach bey dem dortigen Pfarrer zu, der ihn auch, wie es in der Oberpfalz bey dem Mangel eines Wirthshauses Sitte ist, bey sich beherbergte. Das Gespräch lenkte sich auf die nahe Burg und ihren üblen Ruf wegen der dort hausenden Geister, was den Reisenden so reizte, daß er des anderen Tages sich ohngeachtet alles Abmahnens von Seite des besorgten Pfarrers durch einen Führer auf die Ruinen geleiten ließ, des festen Willens, dort zu übernachten. In dem Saale richtete er sich, so gut es ging, ein, und verabschiedete dann seinen Führer. Als die Nacht anbrach, legte er sich, seine Waffen zur Seite, in einen Winkel hin um zu schlafen; doch dauerte es nicht lange, so wurde er durch einen fürchterlichen Lärmen aufgeschreckt: es war, wie wenn Rosse die Treppen heraufkämen, darnach vernahm er sanftes Glockenspiel, zuletzt öffnete sich die Thüre des Saales und eine feurige Spuckgestalt trat herein, mit Ketten um den Hals, einen Todenkopf in der Hand, und Feuer speyend. Der Fremde aber raffte sich auf und wollte mit dem Degen auf das Ungetüm los, als er von der Ketten getroffen, niedersank. Nach einiger Zeit erwachte er aus seiner Bewußtlosigkeit; er machte sich nun Vorwürfe über seinen Fürwitz: denn hatte er es in der That mit Geistern zu thun, so vermochte er Nichts gegen sie, und war es ein Betrüger, so würde dieser sich wohl vorgesehen haben. Während er so seine Lage überdachte, kam die Gestalt zum zweytenmale, stellte sich vor ihn hin und kehrte dann seinen [404] Weg zurück. Nun faßte sich der Fremde schnell, und ging dem Spuck, mit Degen und Pistole in der Hand, nach, die Treppe hinunter durch einen langen finsteren Gang, bis der Geist plötzlich verschwand und Männerstimmen hörbar wurden. Der Verwegene befand sich nun im Finstern. Er machte einige Schritte und fiel in eine Grube. Im Fallen ging die Pistole los, und der Knall weckte grausigen Wiederhall. Nicht lange, so erschienen vier Männer mit Lichtern; er kannte die Gefahr, in welcher er schwebte, und sprach zu ihnen: »Mir liegt am Leben wenig; ihr könnt es mir nehmen; aber bedenkt euch: ich soll einen Befehl meines Fürsten vollziehen; der Pfarrer von Wetterfeld weiß, daß ich hierher gegangen bin: kehre ich nicht mehr zurück, so wird sicher nach mir hier geforscht werden, und euch die Rache ereilen. Wollt ihr mir aber das Leben lassen, so schwöre ich, zu verschweigen, was ich hier erlebt.« Da nahmen ihm die Männer seine Papiere ab, und verliessen ihn, kamen aber bald wieder, um ihn den Eid der Verschwiegenheit schwören zu lassen, worauf er sich ungehindert entfernte und nach Wetterfeld zurückkehrte. Der Pfarrer hatte schon mit Sorge seiner gewartet, und gerieth nun erst recht in Erstaunen, als seine Neugier über das Abenteurer keine Befriedigung fand.
Der Fremde setzte seinen Weg fort, und nachdem er seinen Auftrag vollführt hatte, kehrte er in seine Heimat zurück, treu das beschworene Geheimniß bewahrend. Nach langer Zeit endlich kam ein unbekannter Mann zu ihm, und überbrachte ihm ein Schreiben, in [405] welchem er seines Schweigens entbunden wurde, und ein Packet mit Dukaten gefüllt, als Lohn seiner Verschwiegenheit. Die Männer, mit denen er auf der Burg zusammengestossen hatte, waren Falschmünzer gewesen, die nun ihres Geschäftes müde, sich zurückgezogen und in Sicherheit gebracht hatten. Nun war das Räthsel gelöst.
Nach anderer Sage war ein Handwerksgeselle zu Strahlfeld im Wirthshause eingekehrt. Das Gespräch ging eben über die Geister auf der Burg, und der Geselle erbot sich zur Stelle, hinaufzugehen und dort zu übernachten. Er führte es auch aus, und kam in einen erleuchteten Saal, in welchem ein Tisch für Dreyzehn gedeckt stand. Er versteckte sich nun in den Balkon, welcher einst für die Musikanten bestimmt war, und sah, wie Einer hereintrat, Speisen auftrug, und dann zwölf Männer nachfolgten, welche sich schweigend niedersetzten und assen. Schweigend entfernten sie sich. Da kroch der Geselle aus dem Verstecke hervor, verzehrte die Reste des Mahles, und kehrte dann, sehr zufrieden mit seiner Bewirthung, nach Strahlfeld noch in derselben Nacht zurück. Doch behielt er bey sich, was er gesehen, und bestärkte dadurch nur den Geisterglauben der Anderen. Am folgenden Abende aber ging er wieder zur Burg und verbarg sich wie gestern. Wieder ward die Tafel gedeckt; er aber mochte diesesmal nicht zusehen, sondern setzte sich zu oberst an den Tisch. Als die unheimlichen Gäste erschienen, waren sie wohl erstaunt über den Fremdling, setzten sich aber gleichwohl und [406] beendeten schweigend das Mahl. Ebenso entfernten sie sich; der Geselle aber schlich ihnen nach und kam so in eine Höhle, von blauem Feuer erleuchtet; er befand sich in der Mitte von Falschmünzern. Diese umringten ihn und frugen ihn, ob er gestern schon dagewesen, und auf seinJa – ob er davon zu Strahlfeld gesprochen habe. Dieses verneinte er. Da schenkten sie ihm das Leben. Doch mußte er schwören, von dem Vorfalle Jahr und Tag zu schweigen, und nach dieser Zeit an einem bestimmten Orte sich zu stellen. Nach Verlauf der Zeit fuhr ein Wagen vor seiner Thüre an, ein Herr sprang heraus, und übergab ihm mehrere Säcke Geldes mit dem Bedeuten, daß die Falschmünzer, französische Edelleute, nun in Sicherheit seyen: wenn sie wieder Gold machen müßten, würden sie wieder nach Bayern kommen; für jetzt hätten sie genug. – So schnell der Wagen angefahren, war er auch verschwunden; der Geselle aber befand sich doppelt glücklich, im Besitze des Geldes und der Erlaubniß zu reden.
Nordwestlich vom Berge liegt Fronau, ein Dorf; dessen Einwohner waren einst übel berüchtiget: denn sie trieben das Räuberhandwerk, büßten aber größtentheils ihr Stegreifleben mit dem Tode.