10.

Seit uralter Zeit geht die Sage von den Razen in der ehemaligen, nun zu einer Tabakfabrik umgewandelten Klostermühle Schönthal. Sie wird von der Schwarzach getrieben, welche oft aus den Ufern tritt und die Arbeit des Müllers auf längere Zeit verhindert.

In grauer Vorzeit nun war der Fluß auch einmal übergetreten, die Mühle stand. Das Gemalter mehrte sich mit jedem Tage und damit der Ungestüm der Mühlgäste. Endlich fiel das Wasser. Der Müller voll freudiger Hoffnung nahm sich vor, die ganze Nacht über recht fleissig zu schaffen, und legte sich, um seine Kräfte beysammen zu halten, schon bey Tag zu Bette, verschlief aber ermattet von den seitherigen Sorgen und erwachte erst gegen Morgen. Ganz betrübt ging er in seine Mühle hinunter an sein Geschäft, welchem trübe Wolken am Himmel keinen günstigen Erfolg versprachen. Wie groß aber war sein freudig Erstaunen, als er dort sämmtliches Gemalter gemahlen, die Säcke nach Abzug der Mauth gehörig gefüllt, die Kleyen abgesondert und Alles nach den Gesetzen der Mühlordnung bestellt fand. Zugleich gedachte er, wie vortrefflich es seyn müsse, durch fremde Knappen sein Mehl mahlen zu lassen und versuchte es daher, noch einmal das Gemalter sich ansammeln zu lassen, vielleicht würden die dienstfertigen[301] Knappen wiederholt für ihn arbeiten. Doch stach ihn die Neugierde, zu erfahren, wer ihm denn so gar zu Gefallen stehe, ging auf den Dachboden der Mühle, hob ein Brett aus und legte sich dann nieder, um Nachts sicher bey Handen zu seyn und die sonderbaren Helfer belauschen zu können.

Um Mitternacht sah er denn auch in seiner Mühle ganz kleine, noch kleiner als Zwerge gebaute Männchen kommen, in der Zahl unter zwölf; denn mehr als eilf konnte er nicht zählen, obwohl ihn die Anzahl bald größer, bald kleiner däuchte. Ihre grauen Bärte wallten lang herab, ihre Röckchen schienen zerrissen. Diese kleinen Dingerchen arbeiteten nun so geschäftig, wie emsige Ameisen, banden die Getraidesäcke auf, indem einer den andern hinaufschob, brachten das Getraide in die Gosse, verrichteten überhaupt die Arbeit mit einer Genauigkeit und Schnelligkeit, daß der Müller über ihre Kunstfertigkeit und Stärke nur so staunen mußte.

Er ließ sie daher ohne Unterbrechung fort arbeiten, faßte aber den Entschluß, den guten Männlein seine dankbare Gesinnung kund zu geben, indem er ihnen statt der abgetragenen neue Röckchen machen liesse. Nach geschehener Arbeit verschwanden endlich die Razen in einer Ecke der Mühle, oder es schien ihm vielmehr, daß sie sich dort in einem Loche verkröchen.

Als nun der Müller wieder ein ansehnliches Gemalter beysammen und in der Mühle aufgestellt hatte, legte er neue Röckchen auf die Brente, das Schlafbrett in der Mühle, und begab sich wieder auf den Boden,[302] um zu lauschen. Wieder kamen die kleinen Leutchen und arbeiteten unverdrossen, wie sonst: doch schienen sie nicht so heiter und fröhlich wie vordem. Der Müller meynte, es wäre ihnen der Lohn zu geringe und nahm sich vor, das nächstemal mehr zu thun. Doch tröstete er sich wieder, als er sah, daß die Zwerglein die alten Röckchen aus- und die neuen anzogen: aber wieder erschrack er zu Tode, wie er sah, daß sie die alten Kleidchen unter den Arm nahmen und mit herzzerreissendem Weinen und Wehklagen abzogen.

Das nächstemal hoffte der Müller seine Sache vortrefflich zu machen, wenn er viel schönere Wämschen mit Hütchen auf das Gemalter ausbreitete. Aber die Männchen kamen nicht und holten auch ihr Geschenk nicht ab; sie waren für immer verschwunden.

Später erst erfuhr er, wie man ihnen keinen höheren Lohn reichen dürfe, als drey Stückchen Brod auf die Bank hingelegt, damit sie nicht glauben sollen, man habe ihnen den Dienst aufgesagt und zahle sie aus.

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