10.
Es waren zwey Jugendfreunde in einer Gegend am Böhmerwalde, welche sich sehr liebten und gegenseitig das Versprechen gaben, daß, wer von ihnen zuerst sterbe, dem Anderen nach dem Tode Nachricht geben solle, wie es in der anderen Welt gehalten werde. Beyde wurden zu Priestern geweiht.
Der eine davon kam als Hilfspriester nach Sch.[303] Einmal läutete es mit der Provisurglocke, als er schon zu Bette und eingeschlafen war; er erwachte darüber und sagte vor sich hin: »Gleich will ich mich aufmachen.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so klopfte es schon, und eine Stimme rief durch die Thüre hinein, ob er sich schon versehen hätte, mit ihm zu gehen. Er erwiederte »Ja« – kleidete sich schnell an und ging mit dem Unbekannten, der draussen seiner harrte, ohne ein Wort zu reden, des Weges nach St. Dort angekommen, hieß er den Unbekannten ein wenig warten, bis er die Schlüssel zur Kirche vom Meßner geholt hätte. Dieser bedurfte es aber nicht: denn er sah auf einmal die ganze Kirche erleuchtet und die Flügel der Thüre geöffnet. So traten sie beyde ein. Da stand der Unbekannte als Priester mit dem Meßgewande bekleidet vor ihm; es war sein Freund, der ihn bat, ihm am Altare zu dienen; er habe als Student U.L. Frauen zu Ehren eine Messe versprochen, sein Versprechen aber vergessen, und müsse es nun nachträglich erfüllen.
So trat der Geist an den Altar, und sein Freund diente ihm. Als die heilige Messe zu Ende war, wendete sich der Geist zu ihm und sprach: »So, nun habe ich nicht mehr zu leiden. Von der anderen Welt aber kann ich dir nichts sagen, als daß es sehr genau genommen wird.« Mit diesen Worten verschwand er.
Die Aeusserung des erlösten Geistes, daß eine genaue Rechnung in der anderen Welt gehalten werde, geht durch die meisten dieser Sagen.